Von Graz
nach Mostar
Zuerst hat es schon so ausgesehen, als ob aus unserem Projekt nichts werden würde, zu viele Schwierigkeiten, zu Vieles ist schiefgegangen, Christian`s Motivation war völlig zunichte gemacht. Doch irgendwie hat auch er sich nochmals aufgerappelt (schließlich war Aufgeben noch nie sein Ding), dann gab Eines das Andere und plötzlich hatten wir wieder einen Plan. In absoluter Windeseile verhalf Christian schließlich unserem Baby zu wahrer Größe. Wir haben Styros nun von der Leine gelassen, und so steht er heute da:
Styros, 2 Wochen alt, 3,60 m hoch, 2,45 m breit, 12 t Lebendgewicht, 340 PS, 600 Liter Diesel und fast 500 Liter Wasser. Ein Motorrad hinten drauf und die Fahrräder auch noch reingepackt.
Und ich merke, Christian und Styros gewöhnen sich mehr und mehr aneinander….
Es ist eine völlig neue Erfahrung mit dieser Masse und Größe über die Landstraßen zu rollen. Ja, und es ist wirklich ein Rollen, Geschwindigkeit verliert an Bedeutung. Vorausschauen wird zur obersten Maxime und so bleibt viel Zeit, die vorbeiziehende Landschaft zu genießen. Noch dazu, da wir so hoch oben sind, gewinnen wir plötzlich ungewohnte Eindrücke und Einblicke. Sind wir früher mit dem PKW oder dem Motorrad hinter einer Wand aus Büschen verschwunden, blicken wir jetzt locker oben drüber und erspähen so manches Kleinod in der zweiten Reihe. Auf dieser Reise ist nun wirklich der Weg unser Ziel, wir haben nur eine vage Streckenführung geplant und als Endpunkt Lefkas definiert. Wie lange wir wo genau verweilen überlassen wir unseren momentanen Stimmungen, dem Wetter oder sonstiger äußerer Umstände. Ein wirklich spannender Zugang zum Reisen. Unser einzig steter Begleiter ist die Zeit, die wir uns genommen haben, den Rest bestimmen wir jeden Tag neu.
Bis jetzt führte uns unsere Reise entlang der kroatischen Küste gen Süden. Wir passierten viele Orte, die wir sonst nur vom Meer aus kannten. Ja das ist so eine Sache, das mit dem Boot…. aber alles zu seiner Zeit. Vielleicht gibt`s ja mal eine Styria – Boote sind schließlich immer weiblichJ. Aber im Moment mal bringt uns Styros brav in all die Dörfer entlang der Küste. Die Kroatische Küstenstraße am Landweg hat uns sehr positiv überrascht. Teilweise wild romantisch und jetzt in der Vorsaison auch noch angenehm wenig überlaufen, Trogir und Makarska sind ausgesprochen reizvoll. Die Fahrt nach Bosnien und nach Mostar hat sich ebenfalls als sehr gute Wahl erwiesen. Mostar allerdings mit einem Tag Verspätung, die Mentalität von Ex Jugoslawien hat uns gestreift und so war an der Grenze eine Elendskolonne – Dienst nach Vorschrift. Wir haben sofort kehrt gemacht und den Abend lieber am Meer verbracht. Wir beschließen es am nächsten Morgen nochmals zu versuchen. Der Lohn war ein wunderschöner Abend mit Sonnenuntergang und einer fast sternklaren Nacht mit Vollmond. Am nächsten Morgen war da zwar keine Kolonne mehr, der Grenzbeamte meinte allerdings dass dieser Grenzübergang nur für PKWs wäre und wir mit unserem Gefährt zurückfahren sollten um einen anderen Übergang zu nehmen. Erstmals war Verhandlungsgeschick gefragt, um klarzumachen, dass unser 12-Tonner ohnedies kein LKW sondern ein PKW ist! Nach einigem Hin – und Her waren wir schließlich drüber.
Nächster Stop, Mostar – Erinnerungen an den Krieg in den 90er Jahren und das kommunistische Ex Jugoslawien werden wach. Wie immer wenn ein Großreich zerfällt, bleibt oft ein riesiger Trümmerhaufen zurück, wovon ja auch die Geschehnisse der Gegenwart in den Ländern des Nahen Ostens Zeugnis ablegen. Und nach dem Zerfall von Exjugoslawien geschah am Balkan dasselbe. Bosniaken, Serben und Kroaten lieferten sich grauenvolle Gefechte. Immer ging es dabei um Gebietsansprüche und Macht, oft unter dem Deckmantel religiöser Vormachtstellungen. Viele Jahre Bürgerkrieg waren die Folge, einstige Nachbarn wurden plötzlich zu Feinden, ein friedliches Nebeneinander dieser so unterschiedlichen Volksgruppen war nicht mehr möglich.
Bosniaken verübten mit Hilfe der Mudschaheddin Kriegsverbrechen an Serben und Kroaten. Die Mudschaheddin bestanden überwiegend aus ausländischen muslimischen Freiwilligen, darunter zahlreiche Al–Qaida Anhänger die von Osama Bin Laden nach Bosnien geschickt wurden. Bei der Bewaffnung der Bosniaken wurde außerdem das UN-Waffenembargo mehrfach von den USA unterlaufen um die bosnische Armee und die Mudschaheddin mit Waffen zu versorgen. US Geheimdienste schmuggelten Kriegsgerät mit Hilfe der iranischen Regierung und der libanesischen Hizbollah durch Kroatien. Scheinbar wiederholt sich wirklich alles wieder und wieder!
Und nicht zu vergessen das Massaker von Srebenica - der größte Völkermord in Europa nach dem 2. Weltkrieg. Serbische Einheiten unter Radovan Karadzic hatten die UN-Schutzzone im Osten von Bosnien Herzegovina erobert und insgesamt etwa 8000 Männer ermordet. Und im Herbst 1993 zerstören kroatische Soldaten die Brücke von Mostar, ein Glanzstück Osmanischer Baukunst, lange Zeit Wahrzeichen für das friedliche Nebeneinander von Muslimen und Kroaten.
Heute ist Bosnien–Herzegovina wieder weitgehend aufgebaut. Trotzdem gibt es noch eine große Menge an Kriegsruinen und das was bleibt ist jenes pittoreske Bild wunderbar restaurierter historischen Gebäude neben Kriegsruinen, und moderne Architektur neben nicht fertig gestellter kommunistischer Plattenbauten. Auch das ist der Balkan, diese urbanen Zentren inmitten einer wunderbaren Naturlandschaft von der wir uns immer wieder aufsaugen lassen.
Mittlerweile muten wir uns schon ziemlich schmale Straßen zu und Christian wagt sich auch in Ortschaften immer weiter ins Zentrum vor. Aber dennoch, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und wir wollen unser Edelgeschirr sicher und schadfrei wieder nach Hause bekommen. Und wenn sich mal einfach keine Parkmöglichkeit auftut, na dann fahren wir lieber an den Ortsausgang und spazieren zurück. Es gibt nun kein plötzliches Anhalten mehr, weil da gerade ein tolles Fotomotiv wäre. Wir brauchen Zeit zum Bremsen und vor allem Platz, Platz und nochmals Platz. Das mit dem Bremsen ist so eigentlich gar nicht ganz richtig, Styros hat keinen längeren Bremsweg als ein Pkw, doch die Masse, die dann plötzlich zum Stillstand kommt ist einfach so gewaltig, dass wir dies tunlichst vermeiden wollen. Einmal war es schon nötig – noch haben wir dabei den Eindruck als wenn eine 747 während des Starts Gegenschub gibt. Also gehen wir alles etwas gemächlicher an um nichts kaputt zu machen.
Abends haben wir bis jetzt immer ein super Platzerl gefunden, mit Blick auf`s Meer oder auf den Fluss. Alles geht nun in der Vorsaison noch ganz easy auch ohne Autocamp, niemand stört sich an unserem Gefährt, und wir sind glücklich! Unser Platzangebot im Styros ist sehr feudal und man muss den anderen nicht ständig zur Seite schubsen, wenn man sich darin bewegt. Kühlschrank und Stauräume sind gut mit allem gefüllt, was wir eben so für nötig halten und die Heißwasserdusche am Abend ist ein echter Luxus.
So entdecken wir also Flecken, die uns sonst vielleicht verborgen geblieben wären, und das auf überaus angenehme Art und Weise, mit Styros haben wir richtig Spaß und viel Freude.