Geisterbahnfahrt nach Tatopani
Tibet , Ladakh , oder eben Nordnepal bzw. Muktinath / Kagbeni und der Eingang nach Mustang wo wir gerade sind ,alles sehr ähnliche Landschaften. Geprägt von unglaublicher Trockenheit , wo etwas wachsen soll muss bewässert werden . Das einzige Wasser das es hier gibt kommt von den Gletschern wenn diese abschmelzen . Hier regnet es nie – aller Regen bleibt am südlichen Himalayahauptkamm hängen. Diese Trockenheit verleiht der Landschaft unglaubliche Strukturen und Farben . Grau- und Brauntöne , teilweise ins grünliche und ocker wechseln sich ab und bilden einen wunderbaren Kontrast zum tiefen Blau des Himmels und dem strahlenden Weiß der Gletscher . Wir stehen früh auf , jene Zeit zu welcher die noch tiefstehende Sonne zusätzlich für ein wunderbares Licht- und Schattenspiel sorgt . Wir wandern die 3 Stunden von Muktinath nach Kagbeni – unseren Träger schicken wir mit dem Gepäck mit dem Jeep voraus – er soll es auch gut haben . Als wir in Kagbeni ankommen winkt unser Ram schon ganz aufgeregt , schnell , schnell , er hat einen Jeep aufgehalten mit dem wir die Reise weiter nach Jomsom fortsetzten . Dort haben wir sofort Anschluss weiter das Kali Gandaki Tal entlang Richtung Tatapani bekommen . Eigentlich war unser Abschied aus diesem Teil des Hochgebirges fast etwas überstürzt ,nachdem man aber nie weiß wann hier etwas fährt muss man die Gelegenheit beim Schopf packen und zugreifen . Da sitzen wir nun also wieder im öffentlichen nepalesischen Bus . Wenn wir allerdings gewusst hätten was uns nun blüht wären wir wahrscheinlich besser zu Fuß gegangen . Die erste Etappe nach Ghasa war noch relativ „ normal „ . Dass zuerst der Gang , bevor noch die Menschen einsteigen , mit Gepäck verstopft wird ist ja normal . Sodann quält sich die Masse die ein(en) Sitz(chen) ergattern will über dieses Gepäck und versucht sich irgendwie einzuschlichten . Die Menge der Menschen die das versucht ist dann allerdings nicht mehr normal. Es wird geschoben und verhandelt , Gepäck unter die Füße geschoben , irgendwie versucht die Beine und Habseligkeiten zu verstauen und irgendwann geht es dann auch los . Unser ( theoretisches ) Ziel war Ghasa – Umsteigebusbahnhof . Als wir dort ankommen gibt es dort – nichts – wirklich nichts . Das muss der A….der Welt sein . Also was tun ? Wir sind hungrig , es ist schon 16 00 Uhr – aber es gibt noch einen weiteren Bus nach Tatopani der auch gleich abfahren soll – also los . Nur : dieser Bus ist um 1/3 kleiner als der erste Bus und die anderen Menschen haben dieselbe Idee – nix wie weg von hier . Also wird wieder gestopft , als das Dach dann mit Gepäck voll ist sodass man meinen möchte der Schwerpunkt des Busses liegt nun einen Meter höher kommt das weitere Gepäck in den Bus . Auf die Menschen , unter die Menschen , es ist einfach unglaublich was hier veranstaltet wird – aber es gibt keine Alternative . Und dann geht es los – dass wir ganz vorne direkt an der Windschutzscheibe sitzen ist diesmal kein Vorteil . Es geht das steilste Stück der Kali Gandakischlucht hinunter . 1000 Höhenmeter auf vielleicht 15 km Wegstrecke . Ich bin viele Kilometer in Ladakh gefahren , bin die Routas de los mortes – die angeblich gefährlichste Straße der Welt - in Bolivien gefahren , aber dieses Stück hat diese Erlebnisse noch getoppt. Ein hoffnungslos überladener , uralter , klappriger indischer Bus , ein viel zu hoher Schwerpunkt und eine Straße die nach unseren Begriffen sicher nicht einmal die Bezeichnung Güterweg verdient . Es geht unglaublich steil hinunter , Löcher in denen ein Kleinwagen verschwinden würden , teilweise 30 cm tiefer Schlamm über den der Bus wie auf Seife bergab gleitet , ausgesetzte Stellen an denen es mehrere 100 Meter tief in die Kali Gandaki Schlucht hinuntergeht , teilweise Gegenverkehr – mit waghalsigen Manövern vor und zurück wird versucht aneinander vorbeizukommen . Es geht durch Bachläufe die an die 50 cm tief sind und nicht zu vernachlässigen die permanente Steinschlaggefahr . Immer wieder kommen wir an sicher 1 Meter Durchmesser großen Felsen vorbei die auf die Straße gefallen sind und halt dann zur Seite geschoben wurden . Es geht nicht nur steil bergab , über uns ragt die Schlucht auch bestimmt 1000 Meter auf . Der Fahrer hat ein Auge auf der Straße und mit einem Auge blickt er nach oben was eventuell von da kommen kann – sicherheitshalber hat er sich vor der Abfahrt bekreuzigt !! All das erleben wir aus sozusagen „ erster Reihe „ direkt hinter der Windschutzscheibe . Die meiste Zeit blicken wir in einen Abgrund auf den sich der Bus in abenteuerlichen Manövern zubewegt bzw. entgegenrutscht . Diese Geisterbahnfahrt dauert fast 2 Stunden und als wir endlich in Tatapani ankommen sind Müdigkeit und Hunger Nebensache – irgendwie sind wir froh das überlebt zu haben – es war wirklich gefährlich . Humoristisch gesehen könnte man meinen für die 4 Euro die diese Fahrt gekostet hat haben wir ganz schön viel Geisterbahnfahrt bekommen . Wir finden ein recht nettes Teahouse mit heißer Dusche – um den Angstschweiß wieder wegzuspülen.
Ja und obwohl unsere Dusch-WC-Nasszelle ganz offensichtlich von einem Blinden gekachelt wurde, verwandelt sie Christian am nächsten Morgen nochmals in eine Dampfkabine – vor lauter Freude über das heiße Wasser.
Dann starten wir wieder los. Wir haben viel Zeit und nur 800 Höhenmeter vor uns. Das strengt nun wirklich nicht mehr an. Die Landschaft hat sich verändert, sattes Grün erfreut unsere Sinne, wir wechseln Staub gegen Achselschweiß, viel Wasser fließt von den Hängen und es ist subtropisch geworden. Unser Weg führt durch kleine ärmliche Dörfer, vorbei an Reis- und Kornfeldern. Alles erinnert ein bisschen an unsere Almen, und eigentlich tut all das unserer Seele ziemlich gut. Wir sind froh hier zu sein, doch Erinnerungen an zu Hause sind nach Tagen der Kälte doch sehr wohltuend….. Da höre ich irgendwo im Dorf einen Hahn krähen und ganz plötzlich drängt sich mir eine interessante Frage auf: Ist die Sprache der Tiere weltumspannend dieselbe? Kräht demzufolge dieser Hahn hier gleich wie bei uns zu Hause? Es klingt jedenfalls so, und ist doch aber eigenartig meine ich, ist doch die Evolution nicht überall den gleichen Weg gegangen….. Ja, ich gebe zu wir haben wirklich viel Zeit über Sinnvolles und weniger Sinnvolles nachzudenken.
Und mit all diesen philosophischen Gedanken landen wir in Shika, unserem Tagesziel. Auf Empfehlung im letzten Teahouse am nördlichen Ausgang des Ortes – am warmen Ofen, bei super Apple Pie und netten Wirtsleuten – und sind rundum zufrieden.