Arriving Gokyo
Eigentlich sollte ich nicht schreiben „ arriving Gokyo „ sondern approaching . Wir nähern uns an . Es wird 3 Tage dauern bis wir Gokyo erreichen . Allerdings weiß ich aus jetziger Sicht noch nicht genau wie das funktionieren soll . Seit einer Woche habe ich Durchfall. Abgesehen davon dass es offenbar in dieser Höhe kein Hungergefühl gibt – zumindest ich habe keines – bleibt nun das Wenige das ich gegessen habe auch nicht drin . Es war in der Nacht auch nicht lustig aus dem Schlafsack zu kriechen und das Hinterteil in eisige – 20 Grad zu stecken . Wie dem auch sei – ich fühle mich bestens vorbereitet für eine Coloskopie. Es geht los . Die erste Etappe führt nach Dzonghla , der nächste Tag über den Cho La Pass nach Dragnak und am dritten Tag werden wir nachdem wir das Gletscherfeld welches vom Cho Oju herunterkommt überquert haben, Gokyo erreichen . Hoffentlich . Der heutige Tag war nicht angenehm . Die Arme und Beine schwer wie Blei quäle ich mich voran. Es ist gar nicht so sehr die Höhe , das war eigentlich ganz gut hinzukriegen , es ist wahrscheinlich die zu geringe Nahrungsaufnahme und jetzt auch noch der Durchfall. Irgendwie ist die Energie draußen. Letztendlich kommen wir dann doch noch in Dzhongla an und ich verschnaufe erst mal. Eine sehr nette Ansiedlung auf wieder fast 5000 m mit fantastischem Blick auf die Ama Dablam . Wir sortieren die Ausrüstung , morgen werden wir Steigeisen und eventuell auch das Seil brauchen . Es soll einige ziemlich ausgesetzte Stellen geben die dazu noch vereist sind . Sehen wir mal wie ´s geht und ob ich überhaupt hinaufkomme. Der Rest des Nachmittages gehört der Erholung , wir haben ein für die Verhältnisse komfortables Zimmer mit Fenster nach Westen bekommen , solange die Sonne scheint hat´s im Zimmer glaube ich 30 Grad . Aber wie man weiß was sich schnell aufwärmt kühlt auch schnell ab .
Nächster Tag – die Königsetappe über den Cho La. Das Gefühl das ich habe lässt sich am Besten so beschreiben : Man möchte das 24 Stunden Rennen von Le Mans fahren startet aber nur mit dem Reservetank und muss das Ziel unbedingt erreichen. Keine besonders aussichtsreiche Position . Wir gehen los. Die Devise heißt : Die Geschwindigkeit der kleinen Schritte. Stück für Stück und Meter für Meter geht es voran. Es ist wirklich nicht einfach aber wie man weiß ist vieles mit dem Kopf zu bewerkstelligen und so versuche ich meinen Gedanken auf das Ziel zu konzentrieren – ich muss hinauf – da es ja auch keine wirkliche Alternative gibt . Bald schon brennt uns die Sonne gnadenlos auf den Kopf und die UV Strahlung muss enorm sein denn bald schon beginnen die Augen zu tränen . Oder ist es der elendigliche Staub ? Der Staub ist überhaupt eines der größten Probleme hier im Solo Khumbu. Beinahe kein Wanderweg ohne diesen unglaublich lästigen Staub. Ich vermisse unsere Weiden und Wiesen am Hochschwab. Nur grauer Stein , Fels und Schnee. Mittlerweile haben wir den Steinbruch – ich nenne es so – erreicht . Zwischen Felsblöcken von Tisch – bis zu Auto –und manchmal Hausgröße suchen wir uns den Weg nach oben . Eine ganze Kolonne offenbar masochistisch veranlagter Ameisen – zumindest sieht es so aus – versucht es uns gleich zu tun. Manche schneller , manche benötigen aber die Hilfe der Sherpa . Nicht nur einmal haben wir gesehen dass „ Klienten „ von ihren Sherpas – 2 vorne , 2 hinten geschoben und gezogen werden um das Ziel zu erreichen . Ob das Sinn macht ? Wir nähern uns der Passhöhe. Ich fahre die letzten Geschütze auf und schlucke 3 Coca Globuli um die letzten 200 Höhenmeter zu schaffen . Irgendwie komme ich oben an . Hinter uns liegt das breite Everest Tal mit der Ama Dablam , vor uns der Cho La Gletscher . Wir montieren die Steigeisen – es ist eisig und dementsprechend rutschig – aber nicht ausgesetzt . Das Seil kann im Rucksack bleiben . So überqueren wir den Gletscher bis sich dann auf der anderen Seite ein ebensolcher Steinbruch auftut – nun aber eben nach unten .Ernst kommt gut voran aber ich fühle mich so ausgepumpt dass wirklich jeder Schritt mühsam ist . Endlose Geröllhänge entlang geht es Meter für Meter nach unten und es dauert eine ganze Weile bis die Steine endlich kleiner werden und in einen einigermaßen angenehmen Wanderweg übergehen . Dieser nun aber führt über viele Hügel mal hinauf mal hinunter . Eine kräftezehrende Angelegenheit bis wir dann endlich in unserem Quartier in Dragnak ankommen. Es ist ein Hühnerstall , aber was macht das jetzt schon aus . Hauptsache drüber , Hauptsache da. Einmal schlafen und hoffentlich Kräfte tanken . Ein Tag steht noch aus bis wir Gokyo erreichen .
3. Tag – die Apokalypse . Wir ziehen los . Es geht über die Gletschermoräne des Cho Oju nach Gokyo. Der Gletscher war einstmals sicher über 100 m höher als heute , so hoch sind die Seitenmoränen des Gletschers . Diese wollen erst einmal überwunden werden . Über brüchiges Gestein , Schotter , Sand und Staub geht es die Seitenwand des Gletschers entlang in die Tiefe und dann das Gletscherbett entlang . Immer begleitet von bangen Blicken nach oben , in der Seitenwand hängen Felsbrocken von der Größe eines Autos und halten dort eher schlecht als recht . Dann sind wir mitten drin . So etwas haben wir noch nie gesehen . Wir befinden uns in einer Apokapypse aus Eis und Stein . Unfassbar mit welchen Kräften die Natur so unglaubliche Mengen und Massen an Gestein in Bewegung setzt . Wir sind inmitten einer unglaublichen Masse aus Fels und Stein die der Gletscher in vielen hundert tausend Jahren nach unten befördert hat . Man kann nur mutmaßen – viele , viele Cheops Pyramiden könnte man mit dieser Gesteinsmasse aufhäufen . Der Weg durch und über dieses Labyrinth ist alles andere als einfach . Mal rauf , mal runter , immer wieder bricht etwas weg geht es langsam , ganz langsam Richtung Gokyo. Nach 4 Stunden ist es geschafft. Wir erreichen Gokyo . Eine nette kleine Ansiedlung in 5000 m Höhe umrahmt von Bergen und Seen . Wir steigen im Gokyo Resort ( man darf sich das nicht bildlich vorstellen …. ) ab , die Lodge in der ich schon vor 6 Jahren gemeinsam mit Elke war . Wir sind angekommen – mit dem Reservetank ! Eine echte Leistung ! Endlich da . Der Kopf ist irgendwie frei dann ab jetzt entscheide ich ob ich noch nach oben gehen will oder nicht . Der Weg zurück geht jedenfalls beständig bergab . Wir werden uns für Gokyo 2 Tage Zeit nehmen um die Gegend zu erkunden und uns etwas zu kultivieren . Und um etwas zu Kräften zu kommen . Duschen ist angesagt . Es gibt eine Propangasdusche . Mit den üblichen Startschwierigkeiten verbunden zischt schon bald warmes Wasser aus dem Schlauch und der Genuss ist grenzenlos. Endlich mal ordentlich waschen , rasieren – wie Weihnachten und Ostern zusammen . Und dann ins Bett . Unser Zimmer liegt sonnseitig und ist angenehm warm . Erholen ist angesagt und dann – auf zu neuen Ufern .