Popayán
und
Tierradentro
Wir erreichen nach einem Tag Busfahren die „Ciudad blanca“ genannte Hauptstadt des Departamento Cauca – die Weiße Stadt. Diesmal war die Anreise doch etwas mühsam weil lange, und unser Hinterteil hat sich schon ziemlich beschwert ob der langen Belastung. Was soll`s, wir sind da – laut Reiseführer „wieder mal“ in einer der schönsten Kolonialstädte Kolumbiens. Die Altstadt ist wie ein Schachbrett angelegt und die Orientierung fällt schnell sehr leicht (zumindest für Christian). Die Fassaden der Häuser sind ausnahmslos weiß getüncht und erstrahlen in kolonialer Pracht. Getrübt nur durch das nicht ganz so schöne Wetter, das uns ohnedies schon die ganze Reise hindurch begleitet. So hebt sich nicht Weiß vom Blau des Himmels ab, sondern Schmutzigweiß vermischt sich mit dem Graublau des Himmels. Die Stadt scheint aber eine gute Mischung aus altehrwürdigen religiösen Bräuchen und einem unkonventionellen, modernen Künstler- und Studentenmilieu zu sein. Wir erkennen dies an den vielen kleinen Cafés, der schönen Universität mitten in der Altstadt sowie den vielen Plakaten, die von religiösen Umzügen und Veranstaltungen zeugen. Wäre da nicht der unglaubliche Verkehr, der das Vorankommen in den schönen, kleinen Gassen zum Kollabieren bringt, so wäre dies wohl ein Ort der für einige Tage zum Verweilen einladen könnte. So ziehen wir uns eher auf die große Plaza zurück und inhalieren kolumbianisches Leben. Popayán – ein kurzer Zwischenstopp, der uns einen Tag ganz gut beschäftigt.
Am nächsten Tag brechen wir auf ins Tierradentro. Der Bus ist von Beginn an voll, doch jeder hat seinen Sitzplatz, alles läuft gut geordnet und wie immer pünktlich! Die Busfahrt geht hinauf auf 2000m und die Landschaft verändert sich zunehmend. Passierten wir zuerst noch Maisfelder in der Tiefebene und auch trockenere Gegenden so wird es bald wieder tropisch. Bananen, hin und wieder Kaffee und Palmen. Die Region liegt malerisch eingebettet zwischen den zerklüfteten Gebirgshängen der Umgebung. Trotz Guerilla-Präsenz gilt die unmittelbare Region des Tierradentro als weitgehend befriedet. Wir haben zwei Militärstopps, unsere Pässe wurden eingesammelt, die Namen der Einheimischen per Funkkontakt überprüft und dann durften wir weiterfahren. Wir wissen jedoch von anderen Reisenden, dass sie auch mal aussteigen mussten und mit den Händen am Bus stehend auf Waffen überprüft wurden. Alles läuft aber höflich, nicht aggressiv und ruhig ab. Uns blieb dieses Procedere erspart.
Wir passieren die Stadt Inzá und es gibt einen kurzen Stopp am Hauptplatz, dort ist auch die Schule und eine riesige Kinderschar empfängt den Bus mit lautem Gekreische. Bald wissen wir auch warum – sie wollen ALLE mit. Ein Gedränge und Geschiebe beginnt, sind die Alternativen zu Fuß nach Hause gehen oder auf den nächsten LKW zu warten, wohl wenig attraktiv. Jeder Bus hat eine Art „Schaffner“, meist ein junger Bursche der behände an der offenen Tür steht, potentielle Mitreisende am Straßenrand erspäht oder dafür sorgt, dass Passagiere rechtzeitig aussteigen können. In diesem Fall übernimmt er die Aufgabe des Schiebens und „Stapelns“…. und irgendwann ist dann doch Stopp, einige haben`s nicht mehr in den Bus geschafft und kommen später per LKW nach. Aber ….. so an die zwei Schulklassen (!) haben dennoch stehend im Mittelgang „Platz gefunden“. Die Spekulationen von uns 5 Touristen waren zwischen 30-50 Kinder zusätzlich zu den ca. 40 schon besetzten Sitzplätzen. Zugegeben, auch für uns ein Erlebnis! Eines, das die heimische Diskussion über den unbedingt notwenigen fix sichergestellten Sitzplatz für jedes Schulkind bei uns zu Hause wie eine Posse erscheinen lässt. Aber ja, ich weiß schon, bei uns ist nun mal Vieles anders und das ist auch gut so. Es macht nur wieder mal deutlich, wie viele Ressourcen der durchschnittliche Mitteleuropäer im Vergleich mit anderen Erdenbewohnern in Anspruch nimmt.
So ging es also polternd und mit lautem Geschrei und Gekicher die Straße weiter nach oben. Plötzlich wieder ein Halt. Unser Schaffner wuzelt sich zwischen all den Kindern vorbei in den rückwärtigen Teil des Busses und kommt mit einer langen Eisenstange wieder nach vorne. Das Hemd wird ausgezogen und rasch wird mal ein Hinterrad gewechselt. Unspektakulär, nur ein kurzer Halt, während die Kinder inzwischen draußen weiterspielen. Es scheint keine Seltenheit zu sein, da sich niemand weiter aufregt. Uns regt es eigentlich auch nicht auf, wir vertrauen diesem Land und seinen Bewohnern.
Tierradentro selbst beheimatet einen der wichtigsten und rätselhaftesten
archäologischen Fundorte des Landes. Wegen der versteckten Lage inmitten der Anden nannten die Spanier das Gebiet „das tief verborgene Land“, heute ist es UNESCO-Weltkulturerbe. Auf den Rücken
der wuchtigen grünen Berge schlug ein bis heute unbekanntes Volk lange vor den Spaniern tiefe Schächte in die Erde, in denen sie ihre Toten bestatteten. Am nächsten Tag machen wir uns auf, diese zu besichtigen und entscheiden uns für die 4 Stunden- anstatt für die 8 Stundenroute. Auch hier gilt ein bisschen die Devise „you
see one, you see all“. Über steile extrem hohe Stufen steigt man bis zu 7 m nach unten und sieht kleine Dome mit Säulen und farbigen Gravuren im
weichen Tuffsteinfelsen. Wir schaffen unsere Runde zwischen zwei Regengüssen und beenden nach zwei Nächten unsere Besichtigung dieser Andenregion. Auch hier müssen wir wieder festhalten, die
Menschen sind überaus hilfsbereit, freundlich und ehrlich – unsere Tour an sich empfanden wir aber ein bisschen als Beschäftigungstherapie.