Tanah Toraja
Wir haben Tag 12 unserer Reise und Christian hat seinen ersten „mittleren Einbruch“ erlitten. Völlig entnervt war er nahe daran unsere Reiseroute völlig über den Haufen zu werfen und einen Flug nach Thailand zu buchen. Der Grund dafür? Eine Intrige: Heimtückische Wolken stauen sich entlang der Bergkämme und lauern (!) nur darauf regengeplagte Touristen wieder ärgern zu dürfen. Sie täuschen uns zwischendurch mit einem hämischen Grinsen, indem sie die Sonne für kurze Momente freigeben, doch kaum, dass wir uns in Sicherheit eines strahlenden Himmels wähnen, rotten sie sich wieder feige zusammen und bilden eine undurchdringbare Barriere zwischen uns und der Sonne. Dunst und unsere Regenjacken sind unsere ständigen Begleiter und ich muss zugeben, dass die Sehnsucht nach strahlenderen Farben schon auch bei mir vorhanden ist. Irgendwie haben wir es aber vereint geschafft, wieder Mut zu fassen und einfach auf bessere Tage zu hoffen. Allerletze Lösung: Bilder im Fotoshop blau colorieren. Erster Reisekoller erfolgreich abgewendet!
Wir sind im gebirgigen Hochland im Herzen Sulawesis angelangt – im Tana Toraja, dem Land der Toraja. Eingebettet zwischen steilen Kalkfelsen, immergrünen Reisterrassen und dichten Bambuswäldern liegen die traditionellen Dörfer der Toraja mit ihren reich verzierten Häusern, deren Dächer wie riesige Schiffe aus der Landschaft emporragen.
Trotz der zahlreichen Einflüsse im Lauf der vergangenen Jahrhunderte haben die Toraja ihre Gebräuche und Sitten beibehalten. Der Großteil der Bevölkerung bekennt sich zum Christentum, jedoch mit stark animistischen Wurzeln. So also spielen Tradition und Ahnenkult im täglichen Leben die weitaus größere Rolle.
Wir hatten das wirklich große Glück einer Begräbnisfeierlichkeit beizuwohnen. Dieses Spektakel, ja ich muss es so nennen, hat nichts mit einer Bestattungsfeier bei uns zu tun. Nicht einmal Hochzeiten werden bei uns so pompös gefeiert.
Die Verstorbenen werden einbalsamiert und für 1- 3 Jahre im Haus aufgebahrt, am Dachboden oder im Speicher dieser typischen Torajahäuser. Dort verbleibt der Leichnam so lange, bis die Familie genügend Geld beisammen hat, um die aufwendigen Begräbnisrituale finanzieren zu können. Auch alle dafür notwendigen baulichen Maßnahmen müssen erst getätigt und natürlich finanziert werden. Es ist eine Frage der Ehre und des Respekts dem Verstorbenen gegenüber, all diese traditionellen Rituale zu wahren. Und je nach Stellung der Familie fallen diese größer oder eben noch größer aus. Alles dient dazu, den Verstorbenen damit an den heiligen Ort Puja zu geleiten und letztlich in die Oberwelt. Und zu diesem Zweck wird gefeiert - mindestens drei Tage lang!
So fanden wir uns also als Gäste bei diesem Spektakel ein und brachten unser Gastgeschenk, eine Stange Zigaretten (diese Wahl traf unser guide) mit, geraucht wird nämlich ständig und überall. Rund um einen Platz sind eigens dafür Logen auf zwei oder drei Etagen aufgebaut, alles aus Bambus, mit rotem Stoff dekoriert und teilweise auch noch bemalt. Eigene Toiletten und ein „Küchenzelt“ wurden errichtet. Nach und nach finden sich immer mehr Gäste ein, und alle bringen ihre Geschenke mit: insgesamt nebst Getränken und Reis bestimmt 100 Schweine und 24 Bullen.
Dem Besucher bietet sich ein wahrlich schrilles Bild: Die z.T. sehr festlich gekleideten Gäste lachen, freuen sich sichtlich über die vielen vertrauten Gesichter, trinken ausreichend vergorenen Reiswein, tanzen und essen was die Küche so zu bieten hat (!!). Wir konnten noch sehen wie Schweine kurz zuvor geschlachtet wurden und auf der Stelle verarbeitet! Nahezu alles wird in kleine Stücke zerhackt, gewürzt und in Bambusrohre gesteckt, in denen das Ganze dann über dem Feuer gegart wird. Auch wir mussten von allem kosten - keine Ausrede!
Daneben gibt es einen Schreiber, der alle Geschenke akribisch notiert und zwei Moderatoren die lauthals über das Megaphon das Geschehen dirigieren. Ja, und es gibt die Verstorbene, die zwei Jahre im Reisspeicher auf diesen Moment "gewartet" hat, und nun in einem kunstvoll geschnitzten Sarg ihrer eigenen Prozession beiwohnen darf. Der Sarg auf der Sänfte wird geschüttelt, alle johlen und kreischen, albern herum, bis er seinen Platz auf der größten und höchsten Loge findet.
Und nach der Prozession werden die Opfertiere geschlachtet. Ein schauriges Schauspiel, nicht schön und sehr blutig. Nichts für unsere Nerven - für die Torajas völlig normal.
Und erst nach all dem wird die Tote in einem Felsengrab tief in den steilen Abhängen der umliegenden Berge beigesetzt. Wieder je nach Stellung und finanziellen Möglichkeiten der Person gibt es Familien- oder Massengräber. Manche eigens dafür in den Fels geschlagen, manche hängen an Bambusgerüsten an den Kalkwänden, manchen dienen natürliche Höhlen als letzte Ruhestätte. Und dann gibt es die Tao Tao. Das sind lebensgroße Nachbildungen der Verstorbenen, die in einer Art Balkon in der Felswand thronen, hinter der sich die eigentliche Grabstätte befindet. Ein bizarres Bild, das sich einem bietet. Mit der Zeit zerfielen viele alte Särge und Unmengen menschlicher Knochen finden sich in und um diese Felsengräber.
Für die Toraja ist der Tod das bestimmende Element ihres Lebens, ihr irdischer Aufenthalt ist nur eine Zwischenstufe. Und unter diesen Voraussetzungen ist aller Aufwand und ausgiebiges Feiern wohl auch mehr als angebracht.