Am Tor zur Hölle

Wir sind am Kawah Ijen – dem Tor zur Hölle. Eine übertriebe Bezeichnung ? Keineswegs ! Der Kawah Ijen ist einer der aktivsten , gefährlichsten und unberechenbarsten Vulkane der Welt……..

 

Wir fahren in unserem kleinen Suzuki Jeep, der nun für 3 Wochen unser „ zu Hause „ sein wird,  4 höllische Stunden quer durch  Bali zur östlichen Hafenstadt Gilimanuk. Ein Suzuki der ersten Stunde mit Blattfedern wie ein LKW ( hoffentlich hat unser Zahnarzt gut gearbeitet und alle Plomben sind fest , für physiotherapeutische Behandlung nach der Fahrt haben wir ja fachkundige Betreuung mit …… ) das Lenkgetriebe erinnert mehr an das Steuerrad eines Schiffes – schon Sekunden bevor man abbiegen will muss man die Lenkdrehung berechnen, auch für´s bremsen wäre ein Anker ganz gut  – aber ansonsten ist alles ok . Die Türen fallen noch nicht raus, der Motor läuft  und die abgefahrenen Reifen sind noch dicht.

Da kommen wir also abends , natürlich bei Wolkenbruch,  in Licin an. Sintfluten ergießen sich die Hänge des Kawah Ijen herunter – wir finden zu unserem Erstaunen ein ganz nettes Guesthouse – das Ijen Resto – vor 12 Jahren habe ich noch beim Dorflehrer übernachtet, sonst gab es nichts. Wer wusste damals was und wo Licin ist und der Kawah Ijen und überhaupt ……  Inzwischen hat sich so etwas wie ein kleiner Tourismus entwickelt und sogar die ehemals bestenfalls Defender geeignete Straße ist jetzt asphaltiert . Vor 12 Jahren sind wir auf der Ladefläche des Schwefellasters über badewannengroße Löcher bergwärts geschaukelt – unterbrochen von Zwangspausen wegen Überhitzung des Motors. Da wurde dann der Kühler unter der Sitzbank aufgeschraubt ( das restliche Kühlwasser verdampfte natürlich auf der Stelle ) und frisches – kaltes !!! – Wasser wurde eingefüllt . „ The car must drink „ wurde belehrt – und weiter gings . Heute geht’s auf Asphalt etwas bequemer – aber sonst hat sich auch schon nichts verändert .

Am Kawah Ijen wird Schwefel abgebaut . Der Vulkan ist eines von wenigen weltweiten Vorkommen wo Schwefel unter unmenschlichen Bedingungen mit der Hand abgebaut wird und von den bedauernswerten Menschen in 2 Körben von bis zu 120 kg !!! auf den Schultern ins Tal getragen wird. Die Menschen haben keine Ahnung wie gefährlich und wie gesundheitsschädlich dieser Job ist – es sagt ihnen auch niemand . Lungenschäden , Bandscheiben- und Knieprobleme sind an der Tagesordnung – die Lebenserwartung liegt bei 45 Jahren .

Wieder einmal sind wir beschämt von der Freundlichkeit dieser Menschen hier. Sie, mit ihren mind. 80 kg Gewicht auf den Schultern, machen sie uns auf dem oft sehr schmalen Weg Platz, lächeln uns zu und fragen uns maximal nach einer Zigarette. Ihre Atemwege wahrscheinlich ohnedies vom Schwefeldampf schon verätzt, betäuben sie wohl mit Nikotin den Schmerz der Anstrengung und vielleicht auch ihren Hunger. Menschen aus diesen Verhältnissen essen kaum mehr als eine Schale Reis mit etwas Gemüse pro Tag.

Zuerst geht es ca. 1,5 Std. einen unglaublich steilen Weg nach oben bis zum Kraterrand, immer begleitet von den Schwefelträgern, die sich gerne so gut sie halt können mit uns unterhalten, jetzt noch mit ihren leeren Körben. Dann über den sehr windigen Kraterrand, und zuletzt noch ca. 300 Höhenmeter steil nach unten bis zum Kratersee. Ein bröckeliger, rutschiger, schmaler Pfad windet sich in den Höllenschlund. Dort unten wird es je nach Windrichtung richtig ungemütlich. Die austretenden Schwefelgase werden in behelfsmäßig erscheinenden Rohren aufgenommen, kühlen  ab und kondensieren. Der flüssige Schwefel tritt dann an kleinen Öffnungen wieder aus und braucht noch einige Zeit bis er an der Oberfläche vollständig aushärtet. Dort schlagen die Schwefelträger mit simplen Eisenstangen große Blöcke heraus. Immer wieder wird zusätzlich kaltes Wasser auf die Rohre gespritzt, es dampft, es brodelt und stinkt bedrohlich nach Ammoniak. Es gibt keinerlei Schutz für die Arbeiter die stundenlang in dieser Hölle arbeiten, sie schützen sich  mit einem feuchten Tuch vor Nase und Mund, wohl mehr zur Beruhigung als dass dies wirklich etwas helfen könnte. 2004 war der Vulkan gesperrt als eine unter dem Säuresee liegende Gasblase aufstieg – alle Menschen im Krater kamen ums Leben .

Mit vollen Körben bewegt sich eine Kolonne von Trägern , Ameisen gleich , nach oben. Uns bietet sich ein unglaubliches Bild , eine Reihe gelber Farbtupfer windet sich vor felsigem hellen Hintergrund die steile Kraterwand nach oben. Wir können nur danebenstehen und das Bild in uns aufnehmen. Oft fragen Arbeiter nach Zigaretten oder einem Keks , bedanken sich freundlich und gehen langsam weiter. Die am besten ausgerüsteten haben Gummistiefel, andere nur Flip Flops , manche gehen barfuß. Uns allen drückt es angesichts dieser Menschen , deren Freundlichkeit und Bescheidenheit  Tränen in die Augen.

Auf halbem Weg gibt es eine Waage . Die Last wird am Haken eingehängt – ein banger Blick – wie viele kg sind es diesmal ? Bringe ich damit meine Familie über die nächsten Tage ? Ganz unten wird nochmals gewogen – um die Ecke die Kasse . Der Lohn wird umgehend ausgezahlt. Eine Banalität und Menschenverachtung für diese Anstrengung . Jeder nimmt sein Geld still in Empfang und bereitet sich vor ein weiteres Mal bergan zu steigen .

 

Auch wir gehen am nächsten Tag nochmal nach oben, weil uns dieses Geschehen so fasziniert. Doch dieses Mal bekommen wir den Zorn des Zerberus zu spüren. Wir sind bereits zu zwei Drittel im Krater – plötzlich dreht der Wind . In Sekunden füllt sich der Krater mit Schwefeldampf  und ein beängstigend beißender Geruch strömt in unsere Lungen ,man sieht kaum mehr etwas und die Augen tränen. Wir müssen gar nicht erst überlegen, machen sofort kehrt und versuchen möglichst rasch wieder nach oben zu gelangen. Das ist ein Fehler . Durch die Anstrengung und  wohl auch durch aufkommende Angst verlangt die Lunge nach mehr Sauerstoff und atmet dabei doch nur Schwefeldampf ein . Jeder hustet und spuckt nur mehr und schnell merken wir – so geht das nicht. Etwas Panik macht sich breit und wir werfen uns vorerst einmal hinter einen großen Felsen – hoffen dass die Schwefelwolke darüber hinweg zieht- tut sie aber nicht .  Es hilft nur Ruhe zu bewahren , abzuwarten und zu hoffen dass wieder Wind kommt und den Dampf wegbläst . Wir atmen flach und warten . Bange Minuten vergehen bis Wind kommt und die Luft wieder etwas reinigt. Nichts wie weg und nach oben . Die Schwefelträger halten auch inne, versuchen sich so wenig wie möglich anzustrengen um die Atmung oberflächlich zu halten und warten einfach ab. Manche haben auch ein feuchtes Tuch vor dem Mund – andere haben nichts .  Nur ganz wenige stellen ihre Last ab, gehen gemeinsam mit uns rasch nach oben …. um wenig später wieder abzusteigen, in den Schlund des Teufels. Die Dokumentation „Working men`s death“ hat mit keiner Szene gelogen, es sind dies zweifelsohne unmenschliche Bedingungen.

 

Wir bringen in Erfahrung, dass eine chinesische Firma den Schwefelabbau für 20 Jahre gepachtet hat, und die lokalen Arbeiter, denen einfach keine Alternativen zum Broterwerb zur Verfügung stehen, gnadenlos ausbeuten. Der Arbeiter verdient pro kg gefördertem Schwefel 7.00,-- Rupien, die Company verkauft das kg am Weltmarkt um das 25 fache . Die  Gesellschaft kümmert sich eine feuchten Dreck um diese Arbeiter, die keinerlei Pensionsanspruch haben, einfach nur ihre Ressourcen bis zum Letzten opfern. Ein Korb mit 80 kg bringt somit 56.000 Rupien  umgerechnet € 4,50.-  Ein kg Bananen kostet 12 000.- Rupien , ein kg Reis je nach Qualität 10.000.- , ein einfaches Essen im Warung 5000.- Rupien.   Die Meisten gehen zwei mal am Tag , einige angeblich drei mal. Wir können es kaum glauben , trägt doch so ein Arbeiter mehr als sein eigenes Körpergewicht.

 

Alleine unsere Kameraausrüstung bedeutet 3 Jahre Arbeit – unvorstellbar !!

 

Es ist alles schauderhaft und wir fühlen uns auch nicht wirklich besser, als wir Sugno, unseren Begleiter nach oben finanziell etwas unterstützen. Man tut es halt, weil einem einfach nichts Besseres einfällt …….