Die Seele baumelt
Postkartenidylle, Glanz in den Augen des Betrachters, Sehnsucht macht sich tief im Inneren breit – also muss es wohl ein Stück vom Paradies sein! Auch uns ergeht es hier so auf Kadidiri Island, nur dass wir keine Sehnsucht verspüren, weil wir ja DA sind! .... sorry, das musste jetzt sein ... Es bleibt immer ein gewisses Wagnis, an einen besonders schönen Ort zurückzukehren – die Gefahr, bei der Wiederholung enttäuscht zu werden, ist latent vorhanden. Speziell, wenn es sich um
touristisch aufstrebende Urlaubsdestinationen handelt. In diesem Fall aber war unsere Entscheidung genau richtig – es ist nach wie vor ein grandioses Stückchen Erde hier inmitten des Golfes von Tomini – nahezu am Äquator . Das GPS zeigt 0 Grad
0 Minuten und 28 Sekunden süd . (S 00°00`28``) Jeden Abend sitzen wir am Steg und sehen der Sonne zu, wie sie am
Horizont im Meer verschwindet. Ein unvergleichliches Farbenspiel wenn sich sanfte Orangetöne in ein glühendes Rot
verwandeln um danach alle Nuancen von Violett und Blau einzunehmen. Am Ende hat der Tag wieder seine Schuldigkeit getan und der Abend als Vorbote der Nacht beginnt sein Werk. Noch einmal wird der Himmel im Osten zur Leinwand eines Künstlers, der in verwaschenen Farben eine Symphonie mit seinem Pinsel zaubert. Die Geräuschkulisse aus dem Dschungel schwillt mehr und mehr zu einem Konzert an, unsichtbar für unsere Augen vereinigen sich alle Zikaden dieser Insel zu einem einheitlichen Klangkörper, mächtig und doch beruhigend. Ein unablässig wiederkehrendes Schauspiel für Augen und Ohren – und jedes Mal aufs Neue vereinnahmend. Ganz außer Zweifel ist dies hier für uns ein paradiesischer Fleck. Ich frage mich,
was braucht es dafür, dieses Prädikat zu erhalten. Ganz bestimmt ja bedeutet Paradies für Kindersoldaten in Liberia etwas anderes als für den verwöhnten, satten Mitteleuropäer. Ich denke nach, schaue mich um und spüre in mich hinein...
Natur, die noch Natur bleiben durfte, ein Klima, das zum Verweilen einläd, eine Infrastruktur, die nicht nur unsere Grundbedürfnisse abdeckt, sondern auch mit Charme nicht gespart hat, Menschen, die einem mit einem Lächeln begegnen.
Scheinbar nichts Besonderes – doch nur wer hinhört und hinschaut wird es auch finden können. Das Produkt all dieser
Faktoren bedeutet auf jeden Fall Ruhe, Gelassenheit und eine gewisse Bedürfnislosigkeit. Wo dies jeder von uns so zu empfinden vermag, ist ganz bestimmt unterschiedlich – und das ist gut so. Für uns ist es auf jeden Fall auch hier so.
Der Alltag wird von 3 Fixpunkten markiert – breakfast, lunch and dinner – alle gemeinsam am Tisch, ohne die Qual der Wahl, gegessen wird, was auf den Tisch kommt . Und das ist gut hier! Vormittags und/oder Nachmittags ein Tauch- oder
Schnorchelausflug, immer pünktlich zum Essen zurück. Jene, die zurückbleiben, lesen oder schreiben im Schatten, unterhalten sich. Jene, die schon länger da sind, werden irgendwann häuslich. Sie kehren den Strand, der Meditation eines
Zen-Buddhisten gleich, reparieren morsche Planken am Steg, bauen eine neue Bank aus Holz oder lernen mit
Yas englisch. Die Stimmung ist ruhig und friedlich. Immer wenn jemand die Insel verlässt, fährt das Boot zur nächsten Hauptinsel, nach „Wakai downtown“. Wir fahren einige Male mit. Ein Pier, an dem die Fähre landet, eine lange Straße
mit kleinen Buden rechts und links, das ist es. Wir kaufen Wasser, Cola, Gelsenspray, ein paar Kekse und Zahnpasta – mehr gäbe es ohnedies nicht. Wir versuchen unser Glück, mit der dort besseren Telefonverbindung auch einen Kontakt ins Internet zu bekommen – es kann funktionieren oder auch nicht, nobody knows. Wenn doch, dann auf jeden Fall sehr langsam und eingeschränkt, aber wir freuen uns, steigen wieder ins Boot zurück auf Kadidiri und alles nimmt wieder seinen gewohnten Lauf.