(Skurrile) Tempelkunst in Chiang Rai
Wir erreichen die nördlichste Provinzhauptstadt des Landes inmitten der Berglandschaft des Goldenen Dreiecks. Wir waren 2010 zuletzt in Chiang Rai. Damals konnten wir noch nach Laos einreisen, was seit 2019 leider unmöglich geworden ist! Wir beschränken uns darauf, die interessantesten Tempel aufzusuchen. Und ohne Übertreibung – sie sind wirklich cool. Hier haben die Erschaffer dieser Meisterwerke fruchtbaren Boden und moderne Tempelbaukunst ein Zuhause gefunden.
Mit dem Wat Rong Khun, dem Weißen Tempel hat sich der Künstler Chalermchai Kositpipat sein Denkmal geschaffen. Für den vormals alten Tempel fehlte das Geld zur Erneuerung und so kreierte der Künstler ein neues Projekt daraus, das nur mit eigenem Geld und mit Spenden finanziert wird. Es sind angeblich gerade mal 20 Prozent der geplanten Anlage bislang gebaut. Seine komplette Pracht soll er bis 2070 erreichen. Da kommt also noch was nach!
Alles ist in gleißendes Weiß getaucht, die Abermillionen Spiegelfließen lassen das ganze Areal wie ein Märchenschloss im Zuckerguss erscheinen. Zuerst geht es über eine Brücke in Richtung Ubosot, zumHaupttempel. Links und rechts ragen flehend Hände aus dem Boden, auch Köpfe und hässliche Fratzen von Mensch und Tier. Das Überqueren der Brücke symbolisiert die Abkehr von den weltlichen Gelüsten und über allem steht die Lehre Buddhas.
2014 war die Zukunft des Tempels kurzeitig unsicher, da ein Erdbeben dem Wat schwer zugesetzt hatte. Wir bemerken, dass auch die Wandmalereien im Inneren des Ubosots zum Teil andere sind. Waren es damals noch Zeichnungen von Geroge Bush, Osama Bin Laden, Michael Jackson oder auch Hello Kitty, so sind es heute andere Vertreter der Moderne, die sich unter die traditionellen Wandmalereien mischen. Aber nachwievor offenbart jeder Zentimeter an der Wand eine neue Überraschung. Vorne am Altar thront ein riesiger goldener Buddha, der alles Weltliche zu überstrahlen vermag. Fotografieren im Inneren ist mittlerweile verboten, 2 grimmig blickende Wächter haben keinen Zweifel daran gelassen.
Wohin man auch sieht, ständig erblickt das Auge eine neue Skurrilität. Millionen von kleinen Metallblättchen bilden die Decke eines langen Säulenganges. Bizarr, als ich es als das erkenne, was es ist. Ein wabernder Teppich feinsten Metalls, der einen Plafond bildet. Manche sagen vielleicht, es sei einfach nur ein weißer Spiegeltempel – wir finden ihn grandios.
Bei den vielen Helfern und Schülern, die dieses Gesamtkunstwerk braucht, gehen natürlich auch einige neue Genies hervor. Und einer seiner Schüler, wurde mit der Restaurierung eines weiteren Tempels betraut und konnte so seinem Meister sein Können beweisen.
Mit dem Wat Rong Suea Ten, dem Blauen Tempel, hat Chiang Rai eine weitere Kostbarkeit an künstlerischer Gestaltung gewonnen. Der Blaue Tempel ist der jüngste dieser Kunstbauten. Hier schimmert alles in Blau, Grün und Gold. Die typischerweise 8 Säulen, die thailändische Tempel begrenzen, tragen in ihrem Aufbau ca. 20 cm große Glaskugeln, die beim richtigen Sonnenlicht, das Bauwerk auf den Kopf stellen. In der buddhistischen Mythologie beschützt der Nagakönig Mucalinda Buddha während seiner Meditation vor Regen und Unwetter. So werden die Eingangstreppen von Nagas eingefasst und breiten schützend ihre Köpfe aus. Das Eingangstor zum Haupttempel ist so riesig, dass es einen fast einen Schritt zurück machen lässt, wenn man davor steht. Und drinnen ist man überwältigt von der Strahlkraft des ganz in Blau gehaltenen Raumes. Das Spiel der Farbe und des Lichts im Zusammenwirken mit dem riesigen weißen Buddha ist überwältigend. An den Wänden erzählen die Bilder aus dem Leben Siddharta Gautamas, dem späteren Buddha.
Völlig anders, aber durchaus auch sehenswert präsentiert sich der Black Tempel oder das als Black House bekannte VanDaam Museum. Hier hat sich ein weiterer Künstler ein Denkmal gesetzt. Thawan Duchanee hat hier zeitgenössische Architektur mit traditioneller nordthailändischer Gebäudekunst vermengt. Der unkonventionelle Künstler, der optisch eine Mischung aus Ai weiwei und Gandalf aus Herr der Ringe darstellt, ist als Surrealist weltweit berühmt und wurde 2001 in Thailand zum Künstler des Jahres gekürt. Das schwarze Haus war sein Wohnhaus und seine Werkstatt zugleich. Auf dem Anwesen befinden sich rund 40 unterschiedliche Gebäude, die mit allerhand mystischen Kunstwerken – ja z.T. vollgestopft – aber auch ausgestaltet sind. Die Welt der Tiere und Dämonen und der Tod scheinen das bestimmende Element seiner Kunst zu sein. Alle Monumente sind in tiefschwarz gehalten und verleihen den Kunstwerken eine mystische und geheimnisvolle Aura. Ich bin mir nicht sicher, welches Prädikat ich der Szenerie geben möchte. Aber sehenswert ist das Museum auf jeden Fall!
In allen drei Bauwerken wurde zeitgenössische Kunst mit buddhistischer Tradition eng verwoben und gibt Zeugnis gelungener moderner Interpretationen.