Last Exit Bangkok
Wir verlassen das Land des Lächelns nicht ohne noch einige Tage in der Stadt der Engel zu verbringen. Engelsgleich ist in diesem Moloch aber eigentlich wenig, die Dichtheit all dessen, was einem hier begegnet, lässt so eine Zartheit in der Beschreibung nicht zu. Dennoch zieht sie uns jedes Mal aufs Neue voll in ihren Bann. Und das in sehr positivem Sinne! Bangkok ist keine Stadt, die einen auf Wattebäusche bettet, zu polarisierend ist ihr Flair. Und aus dieser Fülle nun zu wählen, darin besteht die Kunst eines Bangkok-Besuches. Ein Stadtzentrum sucht man hier vergeblich. Die Stadt nutzt seine Fläche nach dem Prinzip des Stapelns nach oben oder Quetschens in der Ebene zur Seite – Fußgänger, Tuk-Tuks, Autos alles schiebt sich nebeneinander durch den Verkehr, teilt sich ohne Berührungsängste den Raum. Wer hier besteht, erspart sich einige Stunden im Gelassenheitstraining. Sitzt man im Taxi, kann das schon mal zur Zerreißprobe für das ordnungsliebende westliche Nervensystem werden. Zu den Stoßzeiten geht nämlich gar nichts mehr. Wir sind zweimal aus dem Taxi ausgestiegen und den letzten Kilometer lieber zu Fuß gelaufen, als millimeterweise im Auto voranzustauen. Aus dem Chaos erwächst bekanntlich Struktur, doch eben hier hat sich uns dieses Prinzip noch nicht erschlossen.
Bangkok hat eine überaus inspirierende Lebensader, den Chao Phraya Fluss. Unser Hotel direkt am Fluss ist eine Oase der Ruhe. Der Blick aus dem Zimmer – ich gestehe, direkt aus dem Bett - hinaus auf die dunkle Wasserfläche, akzentuiert durch die vielen beleuchteten Ausflugsboote, die ab dem Sonnenuntergang unermüdlich ihre Bahnen ziehen, entschädigt für den Trubel draußen. Auf den Straßen kennt diese Stadt auch nach Sonnenuntergang keine Pause. Man könnte meinen, dass im Dunkeln alles nachgeholt wird, was sonst am Tage von den Göttern überwacht würde. Und jetzt, nachts, da schlafen sie vielleicht. Diese ungezügelte Metropole pulsiert 24 Stunden lang!
Den Wasserweg zu nutzen, um sich mal ein großes Stück nord-süd zu bewegen, ist zweifelsfrei die beste Lösung. Wenn es die Streckenführung erlaubt, bietet sich noch der Skytrain an - eine Hochgeschwindigkeitsbahn, die mit 80km/h dahinbraust, so rasch, dass es mir gar nicht auffällt, wie extrem runtergekühlt hier alles ist. Bangkok ist also nicht überall ein heißes Pflaster. Mir schaudert oft, wenn mir bei 30 Grad Außentemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von 90 % oder mehr plötzlich frostig eisiger Wind aus der Klimaanlage ins Genick bläst. Ein Ausdruck von Luxus für die einen, der Beginn einer Verkühlung für mich.
Die Vielfalt in dieser 15 Millionen Metropole ist gigantisch. Hier existiert Moderne ganz auf Tuchfühlung mit gewachsener Tradition. Essensbuden am Fuße der Wolkenkratzer bieten dem geschäftigen Banker die rasche Nudelsuppe zu Mittag. Und wählt man den Blick auf die Stadt von ganz oben, so gibt sie tagsüber durchaus ihre Schattenseiten preis, all das Chaos unten in den Gassen. Aber eben nur tagsüber, die Nacht zaubert immer ihr leuchtendes Antlitz über das Häusermeer – egal wie hässlich es sein mag.
Wir machen eine Radtour durch Thonburi, entlang der kleinen Kanäle. „A world inside a world“, so kommt es mir vor, wieder ein ganz anderes Bangkok. In kleinen Holzhäusern am Wasser spielt sich das Leben ab, völlig unberührt vom Trubel andernorts. Auf klapprigen Drahteseln geht es entlang enger Gässchen durch fast ländliches Leben. Ein kleiner Tempel zwischendurch, dick beklebt mit Goldplättchen für gutes Karma. Garküchen an jeder Ecke und wohl die besten Fruit-Shakes ever! Wer all das nicht probiert, hat Bangkok nicht verstanden. Wir leben quasi von Streetfood – immer ein Highlight.
Und dann ist es irgendwann vorbei. Der Flug ist eingecheckt, die letzte Runde im Pool, um dann um Mitternacht den Heimflug anzutreten. In 18 Stunden, die Zeitverschiebung nicht eingerechnet, spuckt uns Türkish Airways in Wien wieder aus und wir sind zurück in unserer eigenen, vertrauten Welt. Vielleicht geht trotz der nervigen Stunden doch alles ein bisschen zu schnell, stelle ich fest. Ich merke, es braucht jedes Mal ein bisschen mehr Zeit, damit Hirn und Herz, innerhalb der Welten reisen können – vielleicht eine Alterserscheinung J.