Grünes Kirgistan

Koldomo Pass

Kirgistan ist eindeutig grüner, das bemerkt man von Anbeginn an. Wie strahlend weiße Kuppeln leuchten die Jurten inmitten saftiger Weiden. Einsam stehen sie manchmal da und in der Ferne große Herden frei laufender Pferde. Manchmal passieren wir auch größere Yurtencamps, mit einigen Nebengebäuden, Ställen für Ziegen und Schafe, und einem unverkennbaren kleinen Verschlag, der als Toilette dient. Kinder spielen, winken uns zu. Aber eigentlich wirken wir nicht besonders interessant für sie. Die Nomaden leben ihr ganz eigenes Leben so scheint es mir.

Es geht weiter durch das wunderschöne Tal des Gülcho, entlang leuchtender Rapswiesen, vorbei an bunten Bergen bis nach Osh. Wohlbemerkt: auf ausgezeichneter Straße J! In Osh machen wir erst mal ein paar Tage Pause. Unser Standplatz im Garten eines Guesthouses bietet Ruhe, eine heiße Dusche und ein recht gutes Frühstücksbuffet. Man kann es also gut hier aushalten. Schnell ist der kleine Hof völlig „ausgebucht“, fünf Overlander und dann noch eine ganze Gruppe kunterbunter Buchankas. Die Stadt selber bietet leider nicht viel, außer zwei ganz gute Restaurants, die wir abends gerne besuchen.

Irgendwann ist Schluss mit easy going und wir machen uns wieder auf den Weg. Es folgt die herausfordernde Etappe über den Koldomo-Pass. Das eher kurze Stück Straße wird bald wieder zur Piste und kurz vor dem Pass an unserem heutigen Tagesziel ist dann ohnedies aus! Eine Schlammlawine versperrt jegliches Weiterkommen. Wir stehen gut auf unserer Wiese, auch der Rest unserer Gruppe formiert sich und am Ende gesellt sich auch noch die Gruppe Buchanka-Fahrer dazu. Ein enormer Regenguss hat eben erst alles in Einheitsgrau verwandelt und uns in die LKWs gezwungen. Nachdem der Regen etwas nachlässt spazieren wir die Piste weiter nach oben, um uns ein Bild von der Misere zu machen. Rene hat schon mal mit der Drohne nach „oben geschaut“ und die beiden Buchankas gesichtet, die gerade noch vor dem Erdrutsch hochgekommen sind, dort jetzt aber fest sitzen. Die kleine Brücke gleich vor uns ist dermaßen unterspült, dass mir schon beim Drübergehen mulmig wird. Auf den nächsten drei Kilometern wird bereits klar: hier ist mehr passiert! Auch am nächsten Tag sind wir noch zum Abwarten gezwungen. Drei riesige Katakomben haben sich aufgetan, haben Löcher in die Taleinschnitte gerissen, so groß wie ein halbes Fußballfeld. Unmöglich, hier auf die Schnelle wieder drüber zu kommen.  Jedoch noch in der ersten Nacht kommen zwei Bagger und arbeiten durch. Gäbe es bei uns zu Hause solche Schäden, würde es wohl deutlich länger dauern, bis man die Straße wieder frei gäbe – eben so lange, bis alle Ursachen geklärt wären (na ja, es war der Regen!) und bis man schließlich infolge unter dem Aufgebot äußerster Sicherheitsvorkehrungen wieder eine befahrbare Piste gebaut hätte. Hier wird schnell mal dem Berg noch Material abgerungen, eine Rampe durch das „eingesunkene Fußballfeld“ gebaut, die Bagger schaufeln und schieben Geröll und … man muss es sagen … 1 ½ Tage später war die Piste gar nicht mal schlecht! Wie lange die nun hält, sollten wieder solche Regenmasse kommen, ist ungewiss. Aber fest steht, man hat die Strecke wieder durchgängig gemacht.

Zugegeben, ich war ziemlich nervös, nachdem ich diese Katakomben fehlenden Erdreichs gesehen habe, aber eigentlich war dann alles halb so schlimm. Jedes kleine Rinnsal vom Berg hat allerdings eine kleine Schottermure mit nach unten gebracht und lässt unsere bergseitigen Reifen jedesmal einen Ruck machen. Jede Fahrsekunde erfordert Aufmerksamkeit und so sind wir am Ende des Tages alle nur noch müde.

Die Strecke über den Pass ist allerdings wunderschön. Die Hänge wie ein Faltenwurf mit grünem Samt überzogen. Der abwechslungsreiche Pflanzenbewuchs zaubert auch in dieser Höhe der Natur noch ein buntes Kleid. Hin und wieder reißt die Grasnarbe auf und roter Lehm tritt hervor, der dann bizarre vertikale Abbruchkanten entstehen lässt. Kirgistan, du zeigst uns einiges, verlangst uns aber auch einiges ab. Die Seidenstraße hat nicht nur einst seine Reisenden strapaziert – sie tut es auch heute noch.