Durch die Steppe Kasachstans

 

Die Zeit verschiebt sich wieder um eine Stunde nach hinten, wir sind der Heimat ein Stück näher, es geht westwärts. Der Grenzübergang nach Kasachstan verläuft so, wie alle Grenzen hier – chaotisch. Verlassen wir Bischkek noch auf einer einwandfreien Straße, wandelt sich diese kurz vor der Grenze in eine staubige, von tiefen Spurrillen und Löchern gespickte Piste. Alles verläuft problemlos, die Kirgisen lassen uns flugs raus und die Kasachen empfangen uns mit einem „Welcome to Kasachstan“. Aber …. es dauert und dauert und man weiß nicht warum!! Dabei haben wir noch Glück und sind in gut 3 Stunden durch. Wir hatten bloß wenige Autos vor uns! Andere, zwei Tage später, durften sechs Stunden warten. Doch wir trauen unseren Augen nicht, als wir sehen, dass Einheimische ihre LKWs noch vor dem Grenzzaun „leeren“ müssen, um riesige und ganz offensichtlich nicht ganz leichte Säcke am Rücken zu Fuß über die Grenzlinie zu bringen. Reine Schikane, die Frage nach dem Warum erübrigt sich wohl. Uns graut vor dem, was wir jetzt vor uns haben …. 1900 Kilometer kasachische Steppe! Einen kleinen Vorgeschmack hatten wir ja schon bei der Hinreise, als wir Richtung Mangystau abgebogen sind. Und es hat mir schon damals schon nicht gefallen.

Aber nun gut, man sollte nicht zu vorschnell urteilen. Die Steppe gleich zu Beginn zeigt sich nämlich von ihrer wirklich abwechslungsreichen Seite. Ein spannendes Farbenspiel begleitet uns über die vielen Kilometer. Anfangs in einer Kornkammer Kasachstans dominieren die Farben Gold und Braun. Die Felder abgeerntet, das Gras zu Heu verarbeitet. Wie kleine Karamelbonbons leuchten die Ballen in der endlosen Weite. Und immer wieder sind wir erstaunt, wie grün die Steppe auch sein kann. Nicht nur ein paar vereinzelte Büsche, sondern über weite Strecken bedeckt üppiges Buschwerk den Boden. Immer wieder sehe ich auf meiner Karte kleine Seen eingezeichnet, blaue Lacken, die all das erklären könnten. Doch in der Natur ist sehr oft nichts davon zu sehen, anscheinend doch schon ausgetrocknet. Das Grundwasser muss also ausreichen. Außer durch die Stadt Akkystau hinterlässt der Ural große Wasserflächen, die nicht selten zu richtigen Überschwemungen führen (wie wir bei der Hinreise sehen konnten).

Wir sind überaus glücklich, dass die Straße wirklich gut ist! Zwar sitze ich immer noch auf meinem Kinderschwimmreifen, aber die Hoppelei hat aufgehört!!! Den Verkehr auf der Straße dominieren LKWs, und davon richtig viele an der Zahl! Die meisten Trucks sind älteren Baujahres und kommen …. wer hätte das gedacht …. aus der EU! Viele von ihnen noch mit Orginalaufschrift auf den Planen. Also all jene, die bei uns keine Zulassung mehr bekommen, weil sie irgendwelchen Normen nicht entsprechen, oder aufgrund dieser auf unseren Autobahnen enorme Gebühren zahlen müssten, fahren eben hier! Wie schön, dass Abgase ja geografische Grenzen einhalten, und wenn sie nicht mehr bei uns verursacht werden, sind sie ja quasi weg, oder? Das ist reine Abgas-Umverteilung, damit sich die EU wieder ein grünes Mascherl umbinden kann. Eine wirklich große Lüge – leider. Wir können auch feststellen, dass sich in den Wochen seit unserer Anreise bis jetzt, große Straßenabschnitte deutlich verbessert haben. Ein nagelneues, tiefschwarzes Asphaltband breitet sich vor uns aus, z.T. wieder so breit, dass ein Flieger landen könnte. Und diese Tatsache wird noch mehr LKWs  auf die Straße bringen… „no na“ …. das haben die Chinesen mit den STANS ja so geplant. Was soll´s…. So ist´s!

Neben vielen Trucker-Stopps, hin und wieder zerfetzten Autoreifen am Straßenrand, vereinzelten Kamelen und großen Pferdeherden tut sich nicht viel. Also ein bisschen fad ist´s schon, darüber kann mein Bericht nicht hinwegtäuschen. Internet, meist Fehlanzeige. Also hören wir über Stunden die gleiche Musikliste von Christian´s Handy rauf und runter und singen laut, falsch dafür mit Begeisterung mitJ. Es hört ja eh niemand. Wir haben ja beschlossen, richtig Strecke zu machen. Also, Tempomat rein und los geht’s. Kurze Stopps sind nur einem gewissen Drang geschuldet, der dann keinen Aufschub kennt. Oder ein kurzer Tankstopp, der bringt auch noch Abwechslung ins Roadmovie. Diesel ist hier in Kasachstan extrem günstig, also tanken wir rein, was geht. Irgendwann werden unsere Gespräche einsilbiger oder verstummen ganz. Die Gedanken schweifen in die Ferne, bei mir oft schon nach Hause, und nach 9 Stunden Fahrt am 1. Fahrtag, einem Grenzübergang und 620 km wird es Zeit, sich nach einem Übernachtungsplatz umzusehen. Entlang unserer gesamten Steppen-Fahrt haben wir ein gutes Händchen oder vielleicht auch einfach Glück, jeweils ganz schöne Schlafplätze zu finden. Auch die Temperaturen sind die ganzen Tage hindurch viel angenehmer, als gedacht. All unsere Sorgen und Befürchtungen über diesen Streckenabschnitt sind also nicht wirklich eingetreten. Das jeweilige Ende unserer Fahrtage haben wir jedesmal weiter nach Westen verschoben, weil es halt „einfach noch ging“. Zweimal finden wir einen wirklich schönen Platz an einem Flusslauf. Große Herden wilder Pferde geben sich direkt bei uns ein Stelldichein. Einfach wunderschön. Sie laufen frei, gehören aber ganz offensichtlich jemandem, da ich Brandmarken an ihnen sehe. Einmal kommt auch ein „Hirte“ auf seiner „Maschin“ vorbei – modernes Hüte-Wesen mit Pickup oder Motorrad. Richtige Schäfer, zu Fuß, so wie in Tadschikistan sehen wir hier kaum noch. Alles ist riesig und groß hier in Kasachstan.

Nur einmal erwacht ein böser Geist aus der Flasche und wir befürchten in einen Albtraum zu verfallen….. bei der Umfahrung einer Kleinstadt sehen wir nur noch Staubwolken vor uns, aus denen schwankend wie im Vollrausch LKW nach LKW aus dem Dunst hervorhoppelt! Oh, bitte nicht schon wieder!!! Doch, es gibt ein Deja vue! Jedoch leicht abgeschwächt und nur 15 Kilometer lang! Nach den vergangenen Wochen sozusagen ein Klacks, den wir mit Links wegstecken. Danach wieder Großteils nagelneuer, schnurgerader Asphalt, der am Horizont im gleißenden Licht verschwindet. Je weiter wir nach Westen kommen, desto eintöniger wird die Steppe allerdings. Die Farben verschwinden weitgehend, es wird trockener und auch staubiger. Wir passieren einige unscheinbare, hässlich anmutende Straßendörfer, die nicht mal zu einem kurzen Stopp einladen. Die weiten Ebenen sind gespickt mit Strommasten, kreuz und quer wie bei einem Mikadospiel, dann wieder aufgereiht bis zum Horizont. Und wieder tauchen riesige Felder mit kleinen Ölpunmpen auf, die der Gegend auch nicht wirklich zu Charme verhelfen. Nichts wie weg oder eben einfach weiter …

 

Natürlich sind wir froh, im Fahrerhaus eine Klimaanlage zu haben, wenn die Nachmittagssonne immer direkter auf unsere Frontscheibe knallt. Es wird heiß, ja, aber es ist auszuhalten. Eine wirklich schöne Abwechslung inmitten unseres Roadmovies bietet die Stadt Türkistan. Aber davon im nächsten Blog.