Chorugh 

 

und der Afghanen-Markt

15        Chorugh und Afghanenmarkt

 

Chorugh liegt ganz im Osten von Tadschikistan, an der Grenze zu Afghanistan am Fluss Schachdara, der eben hier weiter in den Pandsch mündet. Die Stadt liegt auf 2065 m Höhe und ist von den hohen Bergen des Pamirgebirges umrahmt. Das Klima ist extrem kontinental, also heiße Sommer, kalte Winter und große Trockenheit. Die Menschen hier sind großteils Pamiri – das ist die Selbstbezeichnung jener, die im Pamirgebirge leben und sich ganz bewusst von den Tadschiken abgrenzen. Sie sprechen eine eigene, südostiranische Sprache und gehören anders als ihre tadschikischen Mitbürger dem ismaelitischen Islam an. Ihr Führer ist also der Aga Khan, der auch viele Projekte in der Region fördert. Viele Pamiris leben auch in Afghanistan und es gibt über die Grenze hinweg auch noch familiäre Bande, die durch den Fluss getrennt sind und durch die Regierungen nicht zusammenkommen können.

Wir haben eine anstrengende Reisezeit hinter uns und ich bin sehr froh, in dieser urbanen Umgebung etwas Entspannung zu finden. Ja, diesmal bedeutet nämlich die Stadt Entspannung. Es gibt hier praktisch alles zu kaufen, was man möchte. Und das ist auch gut so! Denn vor drei Tagen ist mein Handy kaputt gegangen und wir kaufen hier ein neues. Christian verbringt viele Stunden damit, es mir wieder einzurichten und ich bin heil froh darüber, wieder „online“ sein zu können.

Chorugh ist moderner, als ich erwartet hätte. Und wie immer, wenn man sich ein bisschen Zeit für eine Ecke dieser Welt nimmt, wird sie einem ein kleines Stück vertrauter. Straßen, Geschäfte, Verkäufer an der Ecke und sogar Gesichter wiederholen sich. Man begegnet derselben Person am nächsten Tag nochmal und grüßt einander schon „altbekannt“. Das gibt ein gutes Gefühl und schafft einen Hauch von Vertrautheit. Und das mag ich sehr. Ja, wir haben alle diese Ruhetage gebraucht. Auch für den Reisenden gibt es aber ohnedies immer etwas zu tun – wahre Nichtstu-Tage sind die absolute Seltenheit. So streunen wir also drei Tage durch die Straßen, ich shoppe ein bisschen durch die Läden, erstehe eine „typisch tadschikische Kombination“ aus Gummizughose und langem Kaftan darüber, sitze mit Sibyl im Gastgarten bei Cafe und Kuchen und abends gehen wir alle gemeinsam indisch essen. Ein klein bisschen Verwöhnprogramm.

Am Samstag findet der Afghanen-Markt statt. Wie schon erwähnt, die Menschen sind sich  nicht fremd, haben früher mehr Handel miteinander gebracht. Seit der Machtübernahme der Taliban ist das nicht mehr möglich. Nur einmal in der Woche findet dieser Markt unter speziellen Sicherheitsmaßnahmen statt. Die Afghanen kommen mit ihren Waren über die Brücke nach Tadschikistan, müssen sich davor aber jedesmal ausweisen. Der Markt findet dann auf einem eigens eingerichteten Gelände statt, das von Militärs abgesichert und auch abgeriegelt ist. Afghanen könnten nicht nach Tadschikistan ins Land kommen. Afghanische Frauen wiederum dürfen nicht herüber auf den Marktplatz, weil die Taliban ihnen das nicht zugestehen. Die Welt hat viele dunkle Flecken!

Für uns wenigen Touristen (ich denke, wir waren zu acht), ist der Markt dennoch ein Erlebnis. Die Waren reichen von Lebensmittel, über Werkzeug bis zu Medikamenten oder Spielzeug. Einige Stände werden auch von Tadschiken bestückt – dort stehen dann meist Frauen. Alle sind extrem freundlich zu uns, ja freuen sich über unsere Anwesenheit, so scheint mir. Auch wenn ein Offizial meint, wir dürften nicht fotografieren, wird es eigentlich nicht so eng gesehen. Wir fragen jeden, und niemand sagt nein. Also wirklich gar kein Problem. Wir werden auf Tee eingeladen und ein junger Afghane, erzählt mir in gutem Englisch, dass dieser Markt eine der wenigen Möglichkeit für sie ist, ihr Land zu verlassen. Kabul zu verlassen, ist schwierig, Visabestimmungen sind kompliziert. Ich sauge diese Eindrücke hier am Markt auf, steht es ja event. auf unserem Plan, auf unserer Rückreise durch Afghanistan zu reisen, was im Moment gut möglich erscheint. Aber vorerst sind wir noch auf einer anderen Route unterwegs…. weiter durch Tadschikistan….