Zurück an der Südküste

 

Noch einmal beschließen wir, das Urlaubsziel der Kirgisen anzusteuern – den Issykul See. Wir haben Badetemperaturen, trotzdem wir auf 1600 m Höhe sind. Diese Kombination ist wirklich spannend. Das Wasser des Sees ist gut aushaltbar, nicht meine Badewanne, wie im indischen Ozean, aber warm genug, um zu schwimmen. Ja, und wenn man den Blick in die andere Richtung wendet, dann leuchten einem die schneebedeckten Gipfel des Tien Shan Gebirges entgegen. Und dazwischen bleibt mein Auge an den herrlichen roten Sandsteinformationen des Canyons hängen. Also, wenn ich doch schon so viele Male angemerkt habe, dass mir diese Länder zu anstrengend und zu hart seien, um sie über mehrere Monate hinweg zu bereisen, dann muss ich in diesem Fall anmerken: diese Ecke ist verdammt schön J. Wir waren schon zuvor einmal einen Tag hier, konnten die Szenerie ob der belastenden Fahrstrecke davor (siehe Blog….) einfach nicht so richtig genießen. Jetzt aber schon! Die Fahrt durch den Canyon of forgotten rivers ist einfach nur beeindruckend. Wasser hat ein Tal erschaffen, das seinesgleichen sucht. Gut 10 Meter hohe senkrechte Steilwände bahnen sich durch die Landschaft, dazwischen ein Spur, die wir bei Regen nicht fahren wollen – aber wir haben ja Traumwetter. Gesäumt sind diese Rinnen von spärlicher Vegetation, die sich eisern am brüchigen Sandstein fest hält. Lila Büsche, ähnlich wie Lavendel, und Strauchwerk mit weißen, fast federartigen Blüten. Die Natur spaßt hier nicht, aber einige trotzen ihr eisern. Im Sonnenuntergang wandern wir von unserem Strandplatz nach oben auf den Kamm des Canyons und der Blick schweift über eine atemberaubende Landschaft. Fliegen kann leider nur unsere Drohne, aber schon eine Drehung um die eigene Achse reicht aus und lässt mich unendlich staunen. Das sind dann jene Momente, in denen ich sehr versöhnt bin, mit diesen sonst so harten STAN-Ländern. Am Strand stehen noch vereinzelt einige Yurten, aber schon viel weniger als vor zwei Wochen – die Ferienzeit der Kirgisen ist zu Ende und wir sind praktisch ganz alleine. Nur Stefan und Sybil mit ihrem Insolito aus der Schweiz teilen sich mit uns diesen wunderschönen Platz.

Nach drei Urlaubstagen zieht es uns aber weiter und wir verlassen den Issykul See, steuern bereits die Westgrenze Kirgistans an. Auf unserem Weg liegt der Burana-Tower. Im 11.Jhd stand hier mal eine mächtige Anlage der Karachaniden. Das Minarett war ursprünglich 40 Meter hoch, heute jedoch nur noch 12 m, da ein Erdbeben den oberen Teil abgeworfen hat. Fragmente der doppelten Stadtmauer sind noch übrig und ansonsten hat man Steinartefakte aus ganz Kirgistan hier zusammengestellt. Kein „must see“, würde ich sagen, aber wir nehmen mit, was sich auf unserem Weg so anbietet.

Ein kleiner Abstecher ins Kegeti-Tal bringt wieder einen Pausetag für den Fahrer und auch für mich. Es gilt Hausarbeit im und am LKW zu erledigen, meinen strapazierten Hintern zu schonen und weitere Etappen zu planen. Der Platz ist ideal, wir haben Schatten, ein Bach fließt vorbei, als Besucher sehen wir nur Pferde und Schafe. Auch dieser Aspekt ist zu Kirgistan auf jeden Fall positiv zu bewerten – freicampen ist allerorts erlaubt und möglich! Wir treffen hier nochmal Rene und Sandra aus der Variostan Gruppe und verbringen noch zwei Tage gemeinsam. Christian schwingt sich noch voller Elan auf das Motorrad, um auf den Pass zu fahren (ich wie gesagt, schone mein Sitzorgan!), kommt jedoch nach halber Strecke retour, weil die Piste ihm einfach keine Freude mehr bereitet – auch auf zwei Rädern macht die Hoppelei keinen Spaß mehr.

Die Weiterfahrt führt uns noch am Ort Rot Front vorbei. Ende des 19.Jhd. zogen Deutsch-Russen hierher, um neues Land zu besiedeln. Die meisten von ihnen waren Mennoniten oder Babtisten. Ich lese, dass ihnen zugesichert wurde, dass ihre Söhne so dem Wehrdienst entgehen könnten, anscheinend schlagendes Argument für diese Familien. In Anbetracht der heutigen Weltsituation ein interessanter Aspekt. Das Dorf an sich gibt nicht viel her, aber man spricht auch heute noch vielerorts Deutsch. Bis 1938 war Deutsch noch Unterrichtssprache, danach durfte nur noch russisch unterrichtet werden. Mächte wechseln, Menschen werden zum Spielball – einst wie auch heute.