Transit durch Russland

Tbilisi – Grenze Russland – Groszny und Astrakhan – Grenze Kasachstan

           

Unsere Reise geht weiter. Bis hierher war es sozusagen ein Heimspiel. Auch die Fahrt nach Norden ist uns nicht neu, waren wir  doch im letzten Jahr schon in Stepanzminda, ganz an der russischen Grenze. Doch jetzt wollen wir drüber. Und ich kann mich einer gewissen Aufregung nicht erwehren, schlafe auch nicht gut. Doch mein Gott, es ist doch bloß Russland! Aber wahrscheinlich gerade deswegen. Unsere Medien sind voll davon, ein Land im Krieg, eine Staatsführung, die nicht gerade vertrauenserweckend ist. Wie werden die Menschen auf uns reagieren? Wie werden sich die Behörden uns gegenüber verhalten? Unser Russisch geht nicht über einen simplen Trinkspruch hinaus und mir ist klar, dass das zu wenig sein wird. Wir sind gut vernetzt mit jenen, die uns schon vorausgereist sind, bekommen immer wieder Informationen darüber, was uns erwartet. Aber auch da ist es ja so, dass alles einer persönlichen Interpretation unterliegt und ständig begleiten uns die Genossen Zufall, Glück und Pech. Es weht ziemlich starker Wind und Sand liegt in der Luft, so wie auch meine Aufregung, die einfach nicht verschwinden will. Eines ist nämlich klar: das Grenzprozedere wird mühsam.

Wir starten gemeinsam mit Silvan und Danika, einem deutschen Pärchen, das dieselbe Route nimmt wie wir. Die Ausreise braucht zwei Stunden, doppelt so lange, als man uns erzählt hat – wie gesagt mal hat man Glück, mal hat man Pech. Aber es war alles sehr einfach. Dann folgt der Übertritt nach Russland. Wir sind gut vorbereitet, bekommen viele gute Tipps…. Immer wieder geht es um Zettel, die es korrekt auszufüllen gilt. Große und kleine, auch doppelte … ja und auf keinen Fall den kleinen (!) Zettel verlieren. Und ja nicht zu viel ausfüllen, dann nämlich wandert das Formular postwendend retour und man kann von neuem beginnen. Natürlich verschreibe ich mich bei einer Zeile!!! Zurück zum Schalten, ein neuer Zettel muss her…Ich mache es kurz, es war nicht wirklich schwierig. Auch die Beamten waren sehr bemüht und freundlich – also die Aufregung war um sonst! Nur hat alles schier unendlich lange gedauert! Insgesamt 6 ½ Stunden! Manche schafften es in 3,5 - wie gesagt, mal hat man Glück, mal hat man Pech.

Nun sind wir also in Russland, vielmehr in Tschetschenien, also in jenem Land, das ich mit zwei Kriegen und kampfbereiten Menschen verbinde. In den Dörfern entlang der Straße sehe ich Männer mit langen Spitzbärten und Frauen mit Kopftuch und langen Gewändern. Aber auch Menschen, gekleidet wie wir. Ich mache das immer so … sieht mich jemand an, egal ob Frau oder Mann, dann strahle ich gleich mal von einem Ohr zum anderen zurück und winke meinem Gegenüber zu. Ich möchte einfach wissen, was passiert, verschaffe mir so ein erstes vages Gefühl, wie die Stimmung uns Touristen gegenüber hier sein könnte. Schließlich hat sich speziell hier der Gedanke aufgedrängt, man könnte keine Freude mit uns haben, zumal unsere Regierung die ihre mit Sanktionspaketen überhäuft. Aber keine unserer Befürchtungen erfüllt sich – ganz im Gegenteil, man lächelt freundlich zurück und setzt ein „Welcome to Russia“ drauf. Meine Unruhe legt sich langsam und ich beginne, mich auf all das Neue einzulassen.

Wir finden einen Standplatz südlich von Grozny, schön an einem kleinen See und einer Freizeitanlage gelegen. Es dauert nicht lange und man heißt uns auch hier willkommen. Einer hat einen Bruder in Wien und hält Christian gleich sein Telefon ans Ohr, damit dieser auf Deutsch mit dem Tschetschenen in Wien sprechen kann! Ein Ehepaar mit Wohnwagen will unbedingt Fotos mit uns machen und lädt uns auf eine Stadtführung in Grozny ein. Wirklich große Willkommenskultur, die unser Herz erwärmt. Für heute – nach der ganzen Grenzprozedur - sind wir aber einfach zu müde für weitere Ausflüge. Mein Schlaf wird heute hoffentlich entspannter.

Der nächste Tag bringt uns nach 630 km nach Astrakhan und wieder muss ich meine Erwartungen revidieren. Wir dürfen bekannter Weise vor dem Hotel Azimut direkt an der Wolga-Promenade parken. Und unser Spaziergang durch die Stadt führt uns nicht wie befürchtet durch kommunistische Häuserschluchten in Grau sondern vorbei an wirklich schöner historischer Bausubstanz, von Renaissance über Klassizismus bis zu maurischen Elementen ist hier alles zu finden. Es herrscht eine freundliche und ausgelassene Stimmung. Ich frage mich, wie es dem Land und den Menschen denn hier wohl so geht? Es gibt schließlich jene Mütter, die ihre Söhne in einen sinnlosen Krieg schicken müssen, es gibt Regimekritiker, die ihre Meinung nicht äußern dürfen, es gibt die schwächelnde Wirtschaft aufgrund der hohen Kriegsausgaben. Aber noch sind die Regale übervoll, noch ist hier nichts davon bemerkbar, dass dieses größte Land der Erde keine Waren mehr bekommen würde. Wir sehen natürlich einen viel zu kleinen Teil dieses Landes und auch den viel zu kurz, als dass wir uns darüber eine umfassende Meinung bilden könnten. Was ich aber sagen kann, ist, dass man von all dem Genannten nichts bemerkt. Nicht in der Reaktion der Menschen, nicht auf der Straße, nicht in den Geschäften, nicht an den Beamten. Als Reisender fühlt man sich hier durchaus wohl….

Der Einstieg hier im Osten ist also wirklich gut gelungen.