Über die Grenze nach Russland
Astrachan
Sulak-Canyon in Dagestan
Wir überqueren die vorletzte Grenze unserer Reise, es geht zurück nach Russland. In weiser Voraussicht hat Christian schon bei der Einreise ein 6-Monatsvisum beantragt und das erspart uns jetzt weiteren bürokratischen Aufwand. Beide Grenzbalken öffnen sich letztlich problemlos für uns. Ein bisschen Nervenkitzel bleibt dennoch immer und dauern tut es auch! An den „Vorposten“ sitzen immer die armen, ganz jungen Rekruten, müssen völlig stupide die Autonummern in ein Buch notieren und uns einen kleinen Zettel mit derselben in die Hand drücken, den wir dann wieder an anderer Stelle abgeben. Den Sinn versteht man nicht. Diese Jungs nach irgendwas zu fragen, ist völlig sinnlos. Sie wissen nichts und können auch kein Englisch. Also wieder mal „Augen zu und durch“.
Auf russischer Seite kommt bald wieder die Querung der Wolga, die bei unserem Lebendgewicht nur mittels Fähre geht – für die Pontonbrücke sind wir zu schwer. All das ist uns nicht neu, weil wir ja auch so hergekommen sind. Man kann sagen: Der Kreis schließt sich … wir klinken uns wieder dort ein, wo wir vor 120 Tagen schon mal waren. Das klingt jetzt gar nicht so viel, bemerke ich. Aber dennoch fühlt es sich durchaus wie ein „recht großes Weilchen“ an. Dazwischen haben wir Vieles erlebt, nicht alles war einfach und auch nicht alles hat uns vom Hocker gerissen. Aber zweifelsohne ist es ein riesiger Reise- und Erlebnisschatz, den wir seither mit uns mitführen dürfen. Also fahren wir entlang der Wolga in das uns schon bekannte Astrachan und parken auch wieder wie gehabt vor dem Azimut Hotel an der Promenade. Ein guter Ausgangspunkt, um nochmal durch die Stadt zu flanieren. Ich nutze die Gelegenheit und bringe einen riesigen Ikea-Sack voll Schmutzwäsche in die Wäscherei, also auch das wäre somit erledigt. Wirkliches Sightseeing steht nicht mehr an. Wir bummeln und gehen zweimal wirklich sehr gut essen.
Die Stimmung in Astrachan ist gut, Urlaubsfeeling auf voller Länge. Wir sehen nur zwei nichtrussische Touristenpaare, und das sind Martin und Claudia, mit denen wir uns verabredet haben, und ein türkisches Paar im Campervan. Immer wieder frage ich mich, wie diese ganze politische Situation für Russen wohl so ist? Sind ihre Söhne oder Verwandten an der Front? Ist ihnen bekannt, was am Westende dieses riesigen Reiches passiert? Welche Meinung überhaupt haben sie dazu? Was wissen sie überhaupt? Über Politik in solchen Ländern zu reden, ist nicht unproblematisch und wir wollen auch niemanden in Verlegenheit bringen. Dazu kommt die Tatsache, dass wirklich kaum jemand Englisch spricht und mit Google-Translater wäre eine so schwierige Konversation nicht sinnvoll möglich. Also mache ich mir weiter meine Gedanken und warte auf eine Gelegenheit. Was aber auch deutlich für mich wird…. Russland ist wie gesagt ein großes Land, hat andere Partner als die EU und kann, so scheint es uns, trotz der Sanktionspakete ganz gut existieren. China und Indien machen wett, was wir blockieren. Und überhaupt, wo die Wahrheit endet und die Lüge beginnt, durchaus auch in unseren Medien, ist eine kaum zu beantwortende Frage. Dieser Grat ist auch bei uns sehr schmal, denke ich. Wir jedenfalls genießen mit den Russen dieses Wolga-Flair, lauschen den Musikern auf der Straße und bereiten uns auf unsere Weiterreise vor.
Und die führt uns weiter nach Süden zum Sulak-Stausee. Der Tag ist gut zum Fahren und auch wieder nicht. Wir kommen in einen richtigen Sandsturm! Die Landschaft weiter in den Süden ist extrem flach, trocken und staubig. Die brüchigen Zweige des kargen Buschwerks sausen nur so über den Asphalt und die Sicht ist gleich null. Die Luft ist geschwängert mit Staub und Sand und ohne Klimaanlage wäre es ein Graus. Bei einer kurzen Pause müssen wir uns taktisch zum Wind stellen, dass wir überhaupt unsere Seitentüren öffnen können, so drückt der Wind dagegen. Also, alles in allem grausig und somit gilt es weiterzufahren. Doch all unsere Hoffnung, das Sturmtief wird sich weiter im Süden auflösen, bewahrheitet sich nicht wirklich, es zieht mit uns gute 500 km mit nach Süden.
Für diese Umstände finden wir dennoch einen recht akzeptablen Platz, den Christian natürlich schon aus der Ferne ausgespäht hat - direkt am Fluss, Bademöglichkeit inklusive. Martin und Claudia kommen auch noch für eine Nacht dazu und so wird es ein netter Tagesausgleich.
Die extrem trockene Luft – ja schon seit Wochen – und der unbedingt notwendige Einsatz der Klimaanlage der letzten Tage hat das bewirkt, was ich eh schon kenne. Ich habe eine Patzen Halsentzündung und der Rest meines Kopfes verschwindet gefühlt unter einem Helm. Ein Zustand der besonders nachts mich und sicher auch Christian den Schlaf raubt….
Die nächsten Tage verbringen wir entlang des Sulak. Und der ist wieder mal eine Superlative – der angeblich tiefste Canyon Europas, 63 Meter tiefer als der Grand Canyon in den USA. Die steilen Wände legen geologische Säulen der Erde mit Sedimenten aus der Kreidezeit, dem Jura und dem Tertiär frei. Für uns Nichtgeologen bietet er einfach fantastische Ausblicke. Das Wetter ist nicht ganz optimal und so sitzen wir einen Tag nahe eines Dorfes aus. Nicht nur das Wetter ist trostlos, auch die einsamen Gassen des beinahe ausgestorbenen Dorfes muntern nicht gerade auf. Ärmlichstes, bäuerliches Leben inmitten sehr maroder Infrastruktur. Es verwundert extrem, dass dennoch einige Kinder auf ihren Fahrrädern über die löchrige Straße kurven – es leben also doch auch junge Familien hier. Charmant allerdings ist wirklich nichts hier. Und doch klopft am nächsten Morgen der Bauer vom nächsten Hof an unsere Tür und fragt, ob er uns abends ein Essen vorbeibringen dürfe! Wir bedanken uns sehr, lehnen aber ab, da wir ja doch weiterfahren. Gastfreundschaft auf voller Linie hier in Dagestan J.
Davor allerdings machen wir noch unseren geplanten Ausflug mit dem Motorrad an die Kante des Canyons, steuern einige Viewpoints an und sind begeistert von dieser schroffen Landschaft. Das Warten hat sich also gelohnt. Auf der Weiterfahrt entlang der Panoramastraße machen wir noch eine Nacht auf einem Parkplatz in einem unscheinbaren Straßendorf halt, um wiederum morgens bei bestem Licht die Szenerie zu genießen. Abends kommen Polizisten vorbei und wundern sich, was wir hier wollen. Google Translater hilft hier aufzuklären und schon ist alles in Ordnung.... Und ob wir Essen bräuchten oder auch sonst irgendetwas. Zuletzt noch eine Visitenkarte mit TelNr für Notfälle. Wir erleben wirklich nur angenehme Menschen allerorts. Am nächsten Morgen fahren wir entlang dieser grandiosen Schlucht und Eliese erkundet, wozu wir nicht imstande sind J.