Über das Dach der Welt
Kyzyl-Art-Pass
Von Murghab – Karakul – über den Pass bis zur Grenze – Niemandsland bis Kirgistan
Murghab ist praktisch der letzte Versorgungsposten vor der Grenze. Bedeutung hat der Ort nur durch seine Anbindung nach Osten gen China. Von hier kommen Waren, um dann weiter nach Westen entlang der neuen Seidenstraßen-Route transportiert zu werden. Weiter nach Norden findet kein Warenaustausch mehr statt. Ab hier gibt es nicht mehr viel. Außer uns Touristen - uns zieht es aber noch weiter gen Norden, Richtung Karakul-See.
Gespeist von den Gletschern, ohne Abfluss, erfreut er das Auge mit seinem Farbenspiel. Doch der Wind pfeift nur so über die Ebene und so lässt sich ein wirklich lauschiges Plätzchen für einen gemütlichen Cafe oder Sundowner nicht so leicht finden. Ein Spaziergang in den Ort Karakul verdeutlicht wieder die Kargheit dieser Region. Es gibt schon was – ein einziges Guesthouse, bei dem wir zum Tee einkehren, eine kleine Werkstatt, vielleicht ist das eine Krankenstation (?? was auch immer die bieten mag?), ein paar Kinderturngeräte auf einem leeren Betonplatz… Alles unglaublich rudimentär. Es ist kurz nach 12.00 Mittag und ich komme mir auf diesen menschenleeren Straßen mitten durchs Dorf wie in einem mexikanischen Western vor – High Noon, nur dass rein gar nichts passiert. Ein bisschen gespenstisch.
Ab hier wird es nun wirklich sehr (!!!!) einsam. Tadschiken dürfen ja nicht über die Grenze nach Kirgistan und umgekehrt können auch Kirgisen nicht einreisen, also gibt es wirklich nur noch uns Touristen. Wir sind nach wie vor zu dritt und froh, nicht alleine zu fahren – man weiß ja nie! Vor uns die Königsetappe über den Kyzyl-Art-Pass, 4300 m. Wir fahren über eine bizarre Hochebene, vorbei an Salzpfannen, die im gleißenden Licht leuchten. Das Dach der Welt ist wahrlich rau. Die Sonne blendet nicht nur, sie ist auch gefährlich für unsere verwöhnte Haut. Kaum jemand von uns (DamenJ) hat keine aufgesprungenen Lippen oder raue Hände. Doch auch hier leben noch ganzjährig Menschen – von der Viehzucht und vielleicht von Vorbeireisenden. Eine riesige Schafherde begegnet uns direkt auf dem Pass und wieder dröhnt die Frage in mir „warum hier? warum so hoch oben?.
Wir haben herrliches Wetter und ein ganz besonderes Farbspektrum motiviert zum Fotografieren. Und JA, es ist ein bisschen wie auf einem Dach, hier oben. Dann aber auch wieder wie in einem Krater, das Gestein um uns zerfällt in brüchige Schollen. Dann wieder Sandsteincanyons, ihre Wände aus bunt geschichtetem Fels – die Witterung hat ihr Werk hier schon getan. Immer wieder öffnen sich Seitentäler gen Osten, weisen in Richtung China, geben 5- und 6000der Gipfel frei. Die ganze Strecke über den Pass begleitet uns ein Zaun zu unserer Rechten, erinnert an die Differenzen zwischen dem einstigen Russland und China. Und heute? Heute rücken sie wohl wieder zusammen. Nur dass dieser Boden hier nicht mehr zur UdSSR zählt, sondern das eigenständige Tadschikistan ist.
Unser letzter Halt vor der Grenze ist eine Militärstation. Zuerst wollen sie uns dort nicht, dann kann Rene sie überzeugen und man bringt uns sogar Abendessen und Frühstück. Wir sind dankbar, denn nur hier an ihrer Kasernenmauer, sind wir vor dem Wind ein bisschen geschützt. Ja und wir wiederum sind für sie Abwechslung in dieser gottverlassenen Gegend! Ein Gesprächsaustausch ist nicht wirklich möglich, aber sie dürfen sich in unser Internet einloggen, das punktet. Denn Strom haben sie hier keinen, nur ein bisschen Solarversorgung! Für uns ist es der höchste Übernachtungsplatz und wir schlafen nicht besonders gut. Ich meine aber, das sei nicht der Höhe geschuldet, sondern der Anspannung vor unserer nächsten Etappe. Grenzübertritt und dann durchs Niemandsland bis nach Kirgistan. Wir haben ein leichtes Pass-bzw.-Visa-Problem (weil diese Geschichte mit dem E-Visum für Tadschikistan nicht funktionieren wollte) und daher unsere Verunsicherung. Vorweg, es war letztlich überhaupt kein Problem! Ja, und dann die Erzählungen der anderen Reisenden vor uns, dass die Piste durch dieses Niemandsland die schiere Katastrophe sei, befahrbar nur bei absolut trockener Witterung, und auch dann sei es für unsere großen, schweren Karossen noch fraglich. Dieses Zwischenland schert einfach niemanden, wozu und für wen soll es auch erhalten werden? Trocken ist es, trotzdem bin ich aufgeregt. Es gibt einige Passagen, die auch so noch wirklich fordernd sind. Fahrfehler darf hier keiner passieren. Christian ist souverän und alles geht gut. Auch bei den anderen beiden gibt es keinerlei Probleme. Trotzdem bin ich froh, dass nicht ich die Einweisungen geben muss – die Männer können das viel besser (!) und unserer Beziehung bleibt dieser Prüfstein erspart J.
Die letzten Kilometer in ein neues Land führen uns durch eine bizarre Landschaft. Salzpfannen, Brackwasser, robustes Steppengras, das sich tapfer am lehmhaltigen Boden verankert, schneebedeckte Gipfel am Horizont und in der Ferne fegen kleine Sandtornados über den dürstenden Boden. Nur die Murmeltiere haben ganz offensichtlich ihre Freude an dem brüchigen Gestein, graben ihre Tunnel und rufen sich gegenseitig zu. Dann nur noch die Grenze – etwas mühsam wie immer, aber problemlos – ein neues Land öffnet seine Tore. Kirgistan, wir kommen…..