Cathedrale de Roche - vom Hochgebirge in den Frühling

 

Es gibt so ein paar Dinge, die man als 4x4-Fahrer irgendwie gemacht haben möchte, wenn man Marokko bereist. Das sind ein paar Wüstentouren im Erg Chebbi, einmal durch den Chegaga, eine Piste in den Dünen entlang der Atlantikküste, ein paar Passquerungen über den Atlas …. Und eben auch mal die Strecke rund um die Cathedrale des Roches. Letztere stand noch auf unserer Liste, und jetzt endlich können wir sie  abhaken. Nein, nein, das klingt ja, als ob es eine Bürde gewesen wäre – ganz und gar nicht. Aber Voraussetzung für dergleichen Strecken sind letztlich immer Wetter- und Pistenverhältnisse. In Marokko kann sich beides ganz rasch ändern und es ist stets besser, Reisende nach der Streckenbeschaffenheit zu fragen, als das gute alte Guidebook. Aber auch das kann in die Hose gehen, weil jedes Auto anders ist und auch jeder eine Piste anders beurteilt. Auch wir waren diesmal wieder skeptisch, da es ja am Vortag noch kräftig geschneit hatte. Aber wir haben uns von unseren Schweizer Freunden einfach mitreißen lassen, und trotz deren kleinerem und leichterem Auto sind wir ihren Fersen tapfer gefolgt.

 

Wir verlassen unseren doch ziemlich abscheulichen Nächtigungsplatz am Ausgang des Ait Bourgmez-Tales, fahren die ersten Serpentinen auf Piste mit leichtem Schneebelag nach oben, dampfen gleich mal mächtig in eine tiefe Spurrinne ein, in der ein nachfahrender Schotter-LKW beinahe sein Ende gefunden hätte und stehen auf einer ersten Anhöhe, die uns nun zwei Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Eben die Strecke um jene Cathedrale des Roches – ein mächtiges Bergmassiv – herum zu wählen, oder die etwas kürzere und leichtere Strecke über den Atlas wieder hinunter. Wir überlegen noch ein bisschen, doch mittlerweile hat die Sonne die zarte Schneedecke auf der Straße schmelzen lassen, wenngleich auf erdigem Untergrund auch das noch eine ziemliche Rutschpartie werden könnte, und treffen eine Entscheidung. Der Blick nach oben  in einen Stahlblauen Himmel gibt letztlich den Ausschlag: wenn nicht dieses Mal, wann dann, sollten wir die Runde fahren!  Natürlich kennen wir Schnee, natürlich kennen wir Bergstraßen, aber wie soll ich es sagen, die Strecke ist was echt Besonderes. Wir sind ganz überrascht, dass sich plötzlich ein schmales aber durchaus passables Asphaltband vor uns auftut und bald zeigt sich, dass auch hier inzwischen wieder 30 km geteert wurden. Wir winden uns also unzählige Kurven hinauf und teilweise zwischendurch auch hinunter, immer begleitet von 3000 m hohen Felsmassiv des Djabal Aoudane, das zu Recht auch die „marokkanischen Dolomiten“ genannt wird. Der frische Schnee auf den Gipfeln blendet uns lässt die Kamera heiß laufen. An den Berghängen wachsen knorrige Bergzypressen, alle mit einem zarten weißen Zuckerguss überzogen. Die Strecke ist bis jetzt noch wirklich gut zu befahren, wenngleich Styros mächtig zu tun hat und Ulli bemerkt, dass er mehr Hafer einstreuen hätte sollen, da sein Mercedes kleine Ermüdungserscheinungen zeigt. Hätten wir uns allerdings selbst gefilmt, man sähe ständig hochgezogene Mundwinkel, weil das Panorama einfach ein Traum ist. Der frische Schnee zeichnet im schwarzen Fels ein pittoreskes Bild und trotz mühsamer Fahrt bleiben wir bei fast jedem Aussichtspunkt stehen und staunen. Irgendwann ist es mit dem Asphalt dann aber doch vorbei und weiter geht’s mit 4x4. Also Luft rauslassen, damit die Patschen breiter werden, ich verkeile mich wieder mit Füßen und Händen, damit ich die Sitzhaftung nicht verliere und langsam holpern wir weiter. Einige dieser Pistenabschnitte wären nach starken Regenfällen unpassierbar. Die Gebirgsbäche zeigen vielerorts, wie viel Geröll sie mit ihrer Kraft mit nach unten zu nehmen imstande sind. Ja, und irgendwann taucht es dann auf, dieses mächtige Bergmassive der Cathedrale des Roches und wir fühlen uns nochmals bestätigt, die richtige Wahl getroffen zu haben. Wie die Säulen einer prächtigen Kathedrale thronen die riesigen Felsstelen zu einem mächtigen Steinklotz aneinandergefügt auf einem ebenso beeindruckenden Felsplateau. Also, der Vergleich mit einer Kathedrale ist absolut passend gewählt. Dieses Bild begleitet uns nun über eine längere Strecke, verschwindet ab und zu hinter einer der zahlreichen Kurven und taucht wieder bestechend vor uns auf.

 

Man kann es wieder kaum glauben, dass sich Menschen auch hier angesiedelt haben. Eine Ecke dieses Landes, die bis vor kurzem wahrscheinlich in den Wintermonaten völlig abgeschnitten war und auch jetzt nur so schwierig zu erreichen ist, entbehrt für uns zumindest jeglichen Komforts. Immer wieder tauchen grüne Terrassenfelder und Steinhäuser  auf den Felshängen auf, und dort wo der Fluss tief unten im Tal den Grundstein für Vegetation gelegt hat, zieren Pappelalleen das Flussbett. Ja, und von oben blendet uns immer noch der Schnee der Berge – welch ein Anblick. Irgendwann wird das Tal wieder mal verdammt eng und uns schwant schon Böses. Schließlich gibt es Oueds, Brücken und immer wieder auch seitliche Abbrüche der Straße, die ein Fortkommen jäh verhindern könnten. Ulli ist ein bisschen vor uns und gibt bereits über Funk durch „das wird jetzt verdammt eng für euch“…. Na dann schauen wir mal. Rechts der Berghang,  über uns ein Überhang, der deutlich macht, dass mit ihm nicht zu spaßen sei und man lieber keine Wackelbewegungen zulassen sollte, links das Flussbett und wir dazwischen auf einem wirklich verdammt schmalen Schotterstreifen, der zum Fluss hin an mehreren Stellen tiefe Auswaschungen hat. Ich klappe den Spiegel auf meiner Seite ein, Ulli lotst uns per Funk von vorne und Christian schiebt Styros Millimeter für Millimeter nach vorne. Wie gesagt, Schaukeln – und das tun wir halt ganz schnell mal – wäre hier nicht angebracht. Aber nix passiert und wir rollen mit einem Lächeln im Gesicht weiter.

 

Die Strecke ist zu lang, um sie an einem Tag zu fahren, oder sagen wir lieber, es wäre einfach schade, wenn man sich keine Zeit lassen würde. Also übernachten wir auf einer ganz respektablen Anhöhe mit herrlichem Blick auf die Cathedrale, wenngleich der späte Abend bereits wieder Nebel und Regen bringt und die Schönheit dieser Gegend für sich behält. Das Wetter ist sehr wechselhaft, doch wir hatten ja Glück und haben das wohl allerbeste Zeitfenster erwischt!

 

Der zweite Tag war dann zuerst extrem matschig vom Regen der Nacht und Styros sieht aus, als hätte er im Schlamm gewühlt. Aber nachdem es sonst keinerlei Blessuren gibt, wollen wir darüber gerne hinweg sehen.

Unser nächster Nächtigungsplatz am Stausee entpuppt sich als echte Oase – der Frühling ist angekommen und wir mittendrin. Eine herrliche Blumenwiese, wieder fantastisches Wetter und wir genießen noch zwei Tage in dieser Idylle