Am Ende des grünen Bereiches

 

Marokko am Ende des Winters auf abgelegenen Pisten oder in den Bergen zu bereisen, ist eine Fahrt ins Ungewisse. Straßen, Pisten  oder Wege, die sich im Herbst als durchaus akzeptable Verbindungen zwischen A und B darstellen, können nach dem Winter unbefahrbar oder schlichtweg weggerissen sein. Informationen darüber sind schlecht oder gar nicht zu bekommen – heißt – man muss es selbst herausfinden. Auch diesbezügliche Fragen an sogenannte „Ortskundige„  erspare ich mir nach vielen Fehlschlägen mittlerweile. Wer fährt schon mit einem 8 Meter langen und 2,5 Meter breitem 12 Tonner und kann die Situation diesbezüglich richtig einschätzen.

 

Um nun der Gefahr zu entgehen von den geschätzten Kollegen als Weichei gesehen zu werden – mein oberstes Ansinnen ist es, uns und unsere Karre  unbeschädigt und sicher wieder nach Hause zu bringen - das ist und bleibt oberste Prämisse. So machen wir uns also auf und befahren den dritten und wohl auch schönsten der drei Pässe über den hohen Atlas – den Tizi-n-Outfi. Eigentlich ein Doppelpass. Zuerst geht es über den Tizi-n-Fedrhate, dann steil hinunter in ein tiefes Tal, um dann eben wieder die Passhöhe des Tizi-n-Outfi zu erklimmen. Beide ca. 2200 Meter hoch.

 

Der Winter war dieses Jahr sehr schneereich und so haben Schmelzwasser und wohl auch so manches Frühjahrsunwetter dementsprechende Spuren hinterlassen. Das was zwischen den beiden Pässen vielleicht einmal ein schlechter, ausgefranster,  einspurig geteerter Weg war, gleicht heute einer grob geschobenen Piste mit grobem und losem Geröll - Gefälle und Bergaufpassagen mit 35 % und mehr inklusive sowie aus- bzw. weggebrochenen Pistenrändern die gerade noch mal die Spurbreite von 2,5 Metern zulassen und teilweise auch noch unterspült sind.

 

Teilweise derart unterspült, dass es einem Balanceakt gleicht bzw. eine Ermessensfrage darstellt, ob man solche Passagen langsam – zwecks besserer Manövrierfähigkeit – oder möglichst schnell hinter sich bringt. Immer in der Hoffnung, dass die Piste erst hinter dem Hinterrad bemerkt dass da etwas zu schwer ist und ev. erst danach wegbricht und es vorerst unbemerkt bleibt,  dass  sich da jetzt 3,5 Tonnen einen Weg suchen. Wenn es an solchen Stellen dann seitlich auch noch 14 Tage bergab geht, ist der Adrenalinpegel entsprechend hoch. Fahren mit Allrad und gesperrtem Hinterachsdifferential ist ein Muss, sollte die Piste  am Hinterrad  wegbrechen so würde ansonsten auch ein beherzter Tritt aufs Gaspedal nichts mehr helfen denn die Antriebsleistung würde unweigerlich ins Leere, bzw. auf das Rad ohne Traktion gehen.  

 

Natürlich ist auch kein Fehler akzeptabel, wenn man in zu engen Kehren reversieren muss, da der Radstand mit 4,2 m eben doch keinem Kleinwagen entspricht. Meistens „hängen“ solche Serpentinen dann auch noch schauerlich und haben an der Innenseite tiefe, ausgewaschene Absätze. All das macht dann bei starkem Gefälle und losem Geröll keine wirkliche Freude, schon gar nicht wenn man, da man ja deutlich vor der Vorderachse sitzt, immer in den Abgrund schaut.  Ein prüfender Blick aus dem Fenster wo denn das Vorderrad schon ist,  bleibt unumgänglich und ein Bremsfehler wäre fatal.

 

Und wenn die Vorderachse schon mal rum ist, sollte auch die Hinterachse dieselbe Beachtung erfahren, denn diese weicht ja durch den langen Radstand von der Spur der Vorderachse deutlich ab und man läuft Gefahr, den Hinterreifen an spitzen Steinen zu beschädigen oder gar auf enger Fahrspur abzurutschen.

 

All diese Ausführungen mögen Toyota- oder  Defender-Fahrern ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern – sie mögen mir verzeihen – alles hat seine Vor- und Nachteile. Aber 12 Tonnen bleiben eben 12 Tonnen, und gut rauf und wieder runter zu kommen, ist das Einzige, das zählt. In diesem Sinne war dieser Pass zu diesem Zeitpunkt unter diesen Umständen für mich am Ende des gerade noch grünen Bereiches. 

 

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen sind wir allerdings die Cathedrale de Roche noch nicht gefahren. Jetzt , nachträglich betrachtet, ist auch diese Strecke, vielleicht noch mehr , am Ende der gerade noch grünen Skala für einen 12 Tonner anzusiedeln. Um es vorweg zu sagen , alles ist gut gegangen, gerade noch. Ortsdurchfahrten mit gerade noch 5 cm Platz links und rechts erforden Feingefühl am Gasfuß um die Kiste nicht zum schaukeln zu bringen, die Auffahrt auf den dann folgenden 2600 m hohen Pass bei minus 3 Grad und 5 cm Neuschnee haben die Pulsfrequenz dann auch deutlich ansteigen lassen. Die Abfahrt führt dann durch ein wunderschönes Tal, allerdings entlang eines Flusses und das Schmelzwasser hat den verbliebenen Weg auf gerade mal Spurbreite schrumpfen lassen , rechts die senkrechte Felswand und wenn es der Piste zu schwer geworden wäre dann geht’s 3 Meter seitlich in den Bach hinunter. Felsbrocken, die sich beim Abschmelzen des Schnees mit dem zu Tal donnernden Wassers aus den Wänden lösen tragen auch nicht wirklich zur Verbesserung des Bauchgefühles bei.   Also , Fazit , 100 % Sicherheit gibt es bei solchen Unternehmungen nicht, alles ist Einschätzungssache und ich hoffe diese wird uns niemals trügen.