Halbzeit
Ja, was kann ich jetzt sagen, wir haben so ca. die halbe Reise hinter uns. In erster Linie waren es Wüstenerfahrungen, und das war auch eines der großen Ziele dieser Reise. Wären wir nicht in der Gruppe gefahren und hätten wir nicht Werner als Guide gehabt, wir hätten uns Vieles davon alleine nicht zugetraut. Die vielen Erfahrungen haben uns gestärkt und sicher würden wir uns jetzt auch alleine viel mehr zutrauen. Christian hat alle fahrtechnischen Möglichkeiten die unser Styros bietet in der Praxis erproben können und die beiden sind richtig zusammen gewachsen. Erfahrung gibt Sicherheit, Sicherheit bringt Spaß und den wollen wir schließlich ja haben. Nun ist es ja nicht so, dass man als Beifahrerin gar nichts tut. Ganz im Gegenteil, ich bin bei jeder Düne voll und ganz mit dabei, antizipiere jede Bodenwelle und versuche Christian zu warnen. Daneben versuche ich noch das Navi im Auge zu behalten um zu wissen wo wir sind. Eben nicht nur hinter Werner, sondern WO in der Landschaft. Außerdem obliegt es meinen Fangkünsten, alles was so ab und an bei einem besonders heimtückischen Hubbel durchs Fahrerhaus purzelt zielsicher abzufangen. Ja und so bin auch ich am Ende eines Tages richtig müde vom Mit-Fahren. Und nachdem es auch hier relativ früh finster wird obwohl wir als individuelle Gruppenzeit unsere Uhren ohnedies schon eine Stunde zurückgestellt haben, fallen die Äuglein abends früh zu und wir schlafen meist gute 8 Stunden bis zum Morgen.
Die Wüste ist wahrlich was Besonderes. Nicht immer schön, ganz bestimmt nicht, manchmal hart und feindlich. Es ist nicht die Einsamkeit die mir etwas ausmachen würde, ganz im Gegenteil, die fühlt sich in der Landschaft meist beruhigend an. Nein, es ist dieses widerstandslos dem Wetter und der Natur ausgesetzt zu sein, das mehr verängstigt als dass es beruhigt. Und immer dann, wenn diese Bedingungen vorherrschen, dann ist dies nicht mehr meine Welt, nicht mehr der Platz an dem ich gerne länger verweilen möchte. Vielleicht auch fehlt mir hier das Abenteurer-Gen, das immer dann anspringen würde, wenn der Adrenalinspiegel steigt, wenn Ungewissheit die Situation durchtränkt, wenn Schwierigkeiten und Unwegsamkeiten nach einer Lösung lechzen. Immer dann scheint meine Wohlfühlgrenze schon erreicht und der Zeiger auf meinem Stimmungsbarometer kippt auf die andere Seite, Unwohlsein verschafft sich irgendwo tief drinnen Platz. Christian und ich, wir sind uns darin meist einig und so ist es nicht schwer, Entscheidungen zu treffen. Wir wissen also beide, dass uns die Wüste unglaublich fasziniert, dass wir aber nicht den schwierigsten und längsten Weg wählen müssen um diesem Erlebnis ein Stück näher zu kommen. Ja ja, dieses Credo „schöne Plätze musst du dir erarbeiten“, das höre ich wohl. Es gibt aber auch wirklich viele ganz wunderbare Plätze, ebenfalls abgeschieden und in völliger Einsamkeit, die man dennoch recht einfach erreichen kann.
Hoch oben auf einem Dünenkamm zu stehen macht erst deutlich, wie der Wind einer Partitur gleich seine Muster in den Sand zeichnet. Einfach wunderschön. Wie die frische Neuschneelandschaft bei uns zu Hause alle Geräusche zu schlucken vermag, so fühlt es sich auch hier in der Wüste an. Natürlich, gibt es auch kaum etwas, das ein Geräusch hinterlassen könnte. Diese Stille nimmt einen stets vollkommen ein, umgibt einen wie ein schützendes Flies. Und doch hat in dieser Stille dann so Vieles Platz, hier plötzlich meint man, könnten die Gedanken endlich frei fliegen…
Ich mag aber auch diese weiten Gegenden. Irgendwo in der Entfernung eine Bergkette, deren Spitzen die Erosion einfallsreich zu bizarren Gebilden geformt hat. Mal ist es eine Burg, mal ein Tajin-Topf, mal sind es Köpfe von Dinosauriern die uns im warmen Abendlicht ihre Geschichten erzählen. In der Ferne lassen sich unzählige kleine Punkte ausmachen, erst beim Näherkommen realisieren wir diese wirklich riesige Kamelherde. Oder korrekter Weise muss man Dromedare sagen – schließlich haben sie alle ja nur einen Höcker. Ein Beduine führt sie langsam aber stetig über die Ebene und durch die Dünen. Vielleicht ist es auch umgekehrt, vielleicht wissen die schlauen Tiere ja viel besser, wohin sie müssen, finden ganz bestimmt ihre temporären Weideflächen oder eben auch Wasser. Auf eben diesen Strecken kommen uns auch immer wieder „echte“ Beduinen entgegen, die ihr gesamtes Hab und Gut in großen Packtaschen auf ihren Tieren transportieren. Ein junges Geschwisterpaar, so kann man zumindest vermuten, treibt eine große Herde Ziegen vor sich her, immerhin hat eine Ziege einen Wert von angeblich ca. 40,-- Euro, also wertvolles Gut, das sie hier hüten. Wir schenken ihnen eine Kleinigkeit und sie ziehen schüchtern weiter. Sie sprechen kein Französisch, nur Berber, „Salam“ bleibt unsere einzige Kommunikation. Welche Chance haben diese Kinder, keine eigentlich. Es gibt sie, die Berber- und Beduinenschulen, doch es obliegt letztlich jedem Familienoberhaupt, ob es seine Kinder dorthin schickt. Ohne weitere Bildung wird ihnen der Weg heraus aus dem Ziegenhirtenleben wohl versperrt bleiben. Vielleicht auch sind sie damit aber glücklich? Wir können sie nicht fragen. Letztlich sind wir es ja die Begehrlichkeiten wecken. Wenn immer wir mit Menschen in ein Gespräch kommen konnten, dann galt ihrem König großes Lob. Er macht es also ganz offensichtlich nicht ganz so schlecht hier in Marokko – die Menschen scheinen glücklich zu sein. Und nichts anderes zählt am Ende doch.
So haben wir also bei diesen Touren ganz viel gelernt und sind dankbar für jeden km Wüstenerfahrung, wissen aber auch, dass wir es alleine wohl ein bisschen komfortabler angehen werden. So halt jetzt mal das Empfinden – wer weiß, wozu sich die Seele noch aufbäumt, wenn Großes die Erwartungen nährt. Kann gut sein, dass wir dann alle Beschränkungen fallen lassen und richtig abenteuerlustig werden. Ganz genau weiß man das ja schließlich nie …..