Aller Anfang ist schwer
Irgendwie ein total blöder Spruch, aber er birgt auch Wahrheit in sich. Es hat diesmal richtig lange gedauert bis ich hier in Marokko angekommen bin. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. So ist es nun mal, es sind jene zwei Leben, jene zwei Welten in denen ich lebe, und beide begleiten sie mich ständig. Bin ich zu Hause, zieht es mich immer wieder in die Ferne und meine Gedanken kreisen um das mir noch Unbekannte. Banal ausgedrückt – Fernweh. Bin ich hier in der Ferne, so lassen mich die Geschehnisse zu Hause einfach nicht los. Sie begleiten mich wie ein Schatten, dem ich nicht zu entkommen vermag egal in welche Richtung ich mich drehe, nur in seiner Größe verändert er sich etwas. Und manchmal sind es eben auch Sorgen, die mich begleiten, daran ändert auch die Ferne nichts. In diesem Zwiespalt, in dieser Wolke aus Gedanken und Wünschen bewege ich mich derzeit noch. Sie lichtet sich etwas, lässt die Welt hier in Marokko mehr und mehr an mich herankommen. Aber wie gesagt, noch nicht ganz.
Wir reisen diesmal in einer doch recht großen Gruppe, ein Haufen Idealisten und Individualisten die sich wohl erst zusammenfinden müssen. Alle bemüht, aber nicht alles will gleich gelingen – so zumindest mein Empfinden. Reisen erscheint mir an dieser Stelle wie ein emotionaler Mikrokosmos, alles ist vorhanden, jede Emotion die das „normale Alltagsleben“ zu Hause auch bereit hält. Nur sind wir eben in der Fremde und das macht es nicht unbedingt leichter. Aber was soll`s, ich wollte doch was über Marokko erzählen – deshalb sind wir doch hier.
Das zweite Mal ein Land zu betreten und dies auch innerhalb relativ kurzer Zeit (es liegen grad mal 12 Monate dazwischen), birgt immer auch ein gewisses Risiko. Wird es mir zu langweilig werden, werden wir Neues entdecken, wird es mir genauso gut gefallen wie das letzte Mal, war die Entscheidung also richtig?
Ganz genau werde ich dies erst am Ende unserer Reise wissen, und vielleicht wird die Antwort auch nicht auf jede Frage gleich ausfallen. Doch auch das ist das Spannende an unserem Reiseleben – es zwingt mich genau hin zu schauen und hin zu hören, mahnt mich ehrlich zu mir selbst zu sein um wahrhaft Erkenntnis daraus zu gewinnen. Das schließlich ist auch eine der Triebfedern unseres selbstgewählten Nomadenlebens, immer wieder aufzubrechen und ein Stück weiser zurückzukehren. Weiser auf welche Art auch immer, auf jeden Fall erkenntnisreicher.
So, nun meine ersten Eindrücke von diesem Land.
Es ist alles irgendwie viel „erdiger“ hier, ja ich habe soeben nach einem passenden Adjektiv gesucht, vielleicht kommt das hin. Wenn hier jemand mit einem Kontakt aufnehmen möchte, dann tut er das. Fragt woher man kommt, wie man heißt und wohin man geht. Wenn jemand etwas verkaufen möchte, dann tut er dies mit Nachdruck, läuft einem vielleicht sogar hinterher, lässt sich nicht so leicht abschütteln. Wenn jemand nicht angesprochen, nicht fotografiert oder einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte, tut er dies lautstark kund und Kinder machen das, was sie ja eigentlich immer und überall tun – sie wollen irgendwas haben und am besten mehr davon, und hier eben mit großem Nachdruck. Das ist der Orient, nichts ist leise, immer geht es rund und immer ist es auch ein bisschen anstrengend. Ich spreche jetzt von Ortschaften, von Märkten und von überall dort, wo viele Menschen sind. All das ist mir nicht neu, doch ich bemerke, dass ich es noch nicht gewohnt bin, nicht in diesem Moment. Noch fehlt mir die Gelassenheit dafür. Mir selbst fehlt die innere Ruhe, somit empfinde ich auch das Außen als anstrengend.
Während ich hier sitze und schreibe, haben wir unseren LKW vor der Medina von Rissani geparkt. Wir haben schon alles eingekauft und Christian ist nochmal zu einer Fotorunde auf den Markt gegangen. Es ist Sonntagsmarkt – alle Bauern bringen ihre Waren hierher, es gibt den Eselmarkt, es wird mit Schafen und Ziegen gehandelt und man findet auch sonst alles, was der einfache Marokkaner für sein Leben braucht. Hier am Rande der Wüste ist es eindeutig noch orientalischer als in den Bergen. Die meisten Männer in langen weißen Gewändern und viele Frauen in schwarzen Kleidern, nicht selten auch ganz verhüllt.
Doch auch wenn es irgendwie anstrengend ist, wird dieses Land von Kargheit, Leere und auch Einsamkeit dominiert – egal ob in den Bergen oder in den Wüstenregionen. Dort bleibt immer noch genügend Raum für einen selbst und Ruhe für die Seele. Ich weiß, ja ich spüre, dass es nicht mehr lange dauern wird und dieses Land nimmt mich und mein Herz wieder gefangen.