Wechselnde Landschaften auf Offroadpisten
Wir schreiben den Tag 30 und langsam bekommen wir eine Vorstellung von diesem nördlichsten Land Afrikas. Wir hatten Bilder im Kopf, jetzt sind sie bereits unterlegt mit Erfahrungen und Empfindungen. Noch sind wir nicht am Ende unserer Reise doch das Fenster in diese neue Welt hat sich geöffnet und eines steht zweifelsfrei fest – Marokko ist ein ideales Reiseland für Styros und uns und dabei unglaublich vielfältig.
Wir verabschieden uns vorerst mal von Marrakesch und fahren weiter über den Titz`n Test Pass des Hohen Atlas nach Süden. Die Straße ist gut befahrbar, aber dennoch anstrengend für Christian. Zum Teil begleitet uns nur ein schmaler Streifen Asphalt, der rechts und links zum Schotter eine beträchtliche Stufe hat. Also heißt es bei jedem entgegenkommenden Auto die Geschwindigkeit fast auf Null zu reduzieren und langsam über das Bankett an den Rand auszuweichen. Viele Streckenabschnitte sind gesäumt von riesigen Kakteenfeldern – Ohrwaschlkakteen mit und ohne Früchten wachsen hier wie Unkraut. Etwas weiter unten folgen Arganien mit und ohne Ziegen drauf. Nach und nach begleiten uns auch wieder unsere schönen gelben Pappeln, wenn auch mit weniger Laub, da es ja Winter wird, und noch später folgen Orangenplantagen – wir kommen weiter in den Süden. Dieser westliche Teil des Hohen Atlas scheint reicher zu sein – besser ausgebaute Dörfer, mehr Autos und weniger Eseltransporte.
Eine kleine Odyssee lässt uns fast an unserem nächsten Nächtigungsplatz scheitern – es war den Menschen einfach nicht zu entlocken, wie wir ins gerade mal 20 km entfernte nächste Dorf Ait Baha kommen können. Hier scheint rechts nicht dort zu sein wo unser Daumen links ist, es war immer dann doch das andere rechts. Na ja, irgendwann finden wir doch hin und „beziehen“ einen recht einsamen Platz am Ortsrand. Alles gut, wie es scheint. Doch so um 21.30 Uhr fahren zwei Autos vor, 7 oder 8 Mann hoch, zwei in Uniform und mit Kapperl! Wir sind schon im Bett gelegen, Christian wieder mal ohne Hose (ein Witz nur für unsere Segelfreunde), wir beugen uns aus unserem Schlafzimmerfenster und nur ein paar wenige Worte drangen verständlich zu mir… gefährlich? Unterstützung? Alles in Ordnung? Mit ins Dorf?.... na wie jetzt? Müssen wir hier weg? Haben wir was falsch gemacht? Könnte sein – wir stehen an einem Staudamm. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir es begriffen haben. Letztlich sollte es heißen, ob wir uns denn so einsam hier auch wohl und sicher fühlen und ob der Hr. Prèfecteur uns nicht lieber einen Adjutanten als Aufpasser vor das Auto setzen sollte….Ah, Erleichterung, jetzt verstehen wir… nein es geht uns gut, fühlen uns pudelwohl und schaffen es auch ganz alleine. Na dann..“bon nuit“….. und weg waren sie.
Am nächsten Tag ging`s über die nächste Bergkette, den Antiatlas. Nicht so hoch, in seinen Farben völlig anders und für uns eines der Highlights auf dieser Reise. Die roten Basaltfelsen leuchten in der Sonne und bilden ein fantastisches Ensable mit den rosagetünchten Häusern - alles ist ein bisschen lieblicher hier. Wieder sind wir erstaunt, wie viel Grün das Land trotz des beginnenden Winters noch für uns bereit hält. Die Painted Rocks, das Werk eines franz. Künstler`s mitten in der Steinwüste bilden einen bizarren Kontrast. 20.000 l in den Farben des Himmels hat der gute Mann hier verpinselt. Und ja, es ist wert, es gesehen zu haben.
Und kaum hat unser Hirn dieses Farbenspiel verarbeitet, fahren wir auch schon weiter nach Fort Bou Jarif in Richtung Atlantikküste wo sich in Windeseile alles zu verändern scheint. Die Farben sind weg, übrig bleibt eine graubraune Steinwüste. Wir befinden uns in der einstigen „Heimat“ der Fremdenlegionäre. Franzosen und Spanier halten ihre Stellungen an der Demarkationslinie, übrig geblieben sind davon die Reste eines mal sehr mächtigen Forts. Eine ziemlich holprige Schotterpiste führt uns 10 km in diese karge Landschaft. Und hätten wir uns nicht mit Wolfgang und Renate an diesem Campingplatz verabredet, so wüssten wir auch heute noch keinen Grund dafür, dorthin zu fahren. Der Platz ist bekannt dafür, dass sich Offroader dort treffen, um letzte Erkundigungen über Saharadurchquerungen einzuholen oder einfach Erfahrungen auszutauschen. Wir vier sind allerdings ganz alleine auf diesem riesigen Areal, tauschen also unsere Erinnerungen an diverse Reisen und unsere Trinkvorräte aus – ein schöner Abend im absoluten Nowhere.
Am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege, Renate und Wolfgang fahren nach Süden um zu überwintern, wir wollen über Piste nach Norden nach Sidi Ifni fahren. Am Fort vorbei wird die Piste allerdings schon abenteuerlich. Schmal, schräg, Queddurchfahrten, Pistenkanten von 50 cm und mehr, grobes Geröll und steile Ab- und Auffahrten. Wir testen mal unsere Untersetzung und krabbeln so 3 – 4 km bis eine schräge Passage kommt die uns nicht geheuer ist. Schmal, ausgewaschen und mit Potential zum kippen. Wir begehen die 100 Meter 2 x, überlegen hin und her und entscheiden dann – nein – alleine machen wir das nicht – zu wenig Erfahrung und Risiko. Also umdrehen und zurück. Nach 5 km kommt uns ein weiterer MAN entgegen – Werner und Gertrude – 2 Deutsche mit 25 Jahren Saharaerfahrung . Fragen wohin wir wollen – wir sagen Sidi Ifni, großes Fragezeichen und die Frage warum wir dann in die falsche Richtung fahren. Wir erzählen unsere Geschichte und die beiden meinen kann nicht sein – sie wären die Strecke schon gefahren und es geht- sie fahren vor . Also wieder umdrehen und den Beiden nach. Inzwischen hat der Wind zugelegt und kommt von hinten, wir fahren permanent im eigenen Staub und sehen fast nichts. Kurz gesagt- die nächsten 15 km und 5 Stunden Fahrzeit haben mich einiges an Schweiß und Adrenalin gekostet. Wir sind die schrägen Passagen gefahren, bestimmt Neigungen von 20 – 25 Grad, dazu ausgebrochene Pistenteile hinter denen es 2 Meter ins Flussbett ging – ein Fahrfehler und zu weit an den Rand und wir kippen. Es ist gut gegangen und wir haben auch gesehen was der MAN kann. Verschränkungen von 60 cm und mehr – kein Problem. Steinbarrieren 50 cm hoch- kein Problem, steile Ab- und Auffahrten dass man nur mehr blauen Himmel beim Hinauf sieht oder meint beim Hinunter kommt der Boden im rechten Winkel auf die Windschutzscheibe zu auch nicht . Nur die Schrägfahrten – das ist wirklich gefährlich. So lange die Piste hält ist alles gut aber man darf sich keinen Fahrfehler leisten und es darf nichts nachgeben. Später sitzen wir beim Bier zusammen und sind froh dass alles funktioniert hat – der Stress ist weg aber der Respekt vor der Sache bleibt.