Tief in den Bergen und - nie mehr Msemrir
Erstmals auf dieser Reise packen wir unser Motorrad runter und machen eine kurze Ausfahrt um den See und in die nahe Umgebung – so fallen wir definitiv weniger auf als mit Styros. Vorbei an den letzten Hochweiden hier im Gebirge, auf denen Hirten ihre Schafe weiden. Es ist eine sehr einsame und zum Teil extrem unwirtliche Gegend. Die Nordketten des Hohen Atlas, von der Erosion stark in Mitleidenschaft gezogen, bieten fantastische Ausblicke. Wind und Wetter haben das Gestein mürbe gemacht, Schicht für Schicht abgetragen und grandiose Muster entstehen lassen. Wie eine feinst geschichtete Doboschtorte steht mancher Kegel inmitten der Steinwüste. Es entstanden Tafelberge so futuristisch, dass man meinen könnte, sie wären von Menschenhand flachgehobelt worden. Und dann wieder blieb die Spitze eines Berges wie der Kopf eines Riesenchampignons erhalten, während das Myzel des Pilzes als brüchiges Gestein nach unten geglitten ist. Und das Spiel aus Sonne und Schatten macht diesen bizarren Riesensteinhaufen erst zum wahren Erlebnis. Und das Wetter ist uns immer noch sehr hold!
Es erstaunt immer wieder, dass wir auch hier oben noch auf kleine Ansiedlungen treffen. Die Bevölkerung besteht ausschließlich aus Berbern und sehr viele erleben wir noch in ihren ursprünglichen Trachten. Besonders sind vor allem die Kopfbedeckungen der Frauen, die Männer sind oft in lange Kaputzenmäntel gehüllt. Alle begegnen uns freundlich und offen, auch die Frauen, wenngleich Konversation jetzt gar nicht mehr möglich ist, da die wenigsten überhaupt Französisch sprechen. Die Bevölkerung ist zwar muslimisch, doch den Ruf des Muezzins hört man hier nirgends. Hingegen ist Franzl`s Ruf allgegenwärtig. Und für all jene die es nicht wissen…. alle Esel heißen Franzl.
Die Menschen leben nur vom Notwendigsten, wohnen in niedrigen Stampflehmbauten, in die kaum Licht dringt, einzig die bunten Türen unterbrechen das Braun der Szenerie. Die befestigten Dörfer der Berber sind vom Aufbau her alle gleich und bestehen aus einer Aneinanderreihung mehrerer Wohnstätten. Kasbahs (berberisch Burg) die man vielerorts findet, boten früher der Bevölkerung Schutz vor Angriffen und sind heute oft zu Gästehäusern umgebaut.
Den Lebensunterhalt verdienen die Menschen hier allerdings mit der Landwirtschaft. Wie Narben durchziehen viele kleine Schluchten den Fels und fördern heilbringendes Wasser nach oben – und davon scheint es das ganze Jahr über genug zu geben. Man merkt, dass es bald Winter wird, da die Bauern eifrigst die letzten Ernten von den Feldern heimbringen. Hier oben wird alles per Pferdekarren oder mit Eseln transportiert.
Ja, und warum NIE MEHR Msemrir? Ganz einfach, weil wir dachten, mit dem Motorrad eine Verbindungspiste zwischen Dodrha- und Dadès- Schlucht bis nach Msemrir zu befahren. Das mag in manchem Jahr möglich sein – 2015 definitiv nicht! Zumindest nicht zu zweit auf einer alten Honda 500. Die Piste begann anspruchsvoll aber dennoch gut befahrbar, nach ca. 10 km wurde es holpriger, mehr loses Gestein auf der Fahrstrecke, die manchmal zur Fahrrinne wurde. Ich zeterte ein wenig vom Sozius aus, während Christian über Querrillen hüpfte. Beide waren wir der Meinung, das könnte verbindlich nur ein kurzes „schlechteres Stück“ sein, schließlich sahen wir ja auch noch alte Landroverspuren. Doch diese temporären Schwachstellen wechselten in ein Kontinuum aus Geröll und Schlaglöchern. Wir fuhren irgendwann nur mehr in einem Flussbett, ein wirklicher Weg war fast nicht mehr auszumachen. Mittlerweile zeterte ich auch nicht mehr, ich weiß wohl, wann dies nicht mehr passend ist – jetzt hieß es nur noch durchhalten. Nun waren wir aber schon so weit, dass der Weg zurück in km definitiv länger war, als der nach vorne. Also logisch, man probiert es immer noch ein Stück weiter, in der Hoffnung auf Besserung. Bis es an einem Punkt endgültig so weit war, dass wir keine Chance mehr sahen noch an diesem Tag verletzungsfrei in Msemrir rauszukommen. Dass wir unsere gedachte „Runde“ sowieso nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit schaffen würden, damit hatten wir uns schon abgefunden. Hätten wir uns halt ein Zimmer genommen aber die Piste war nicht einmal mehr Landrovergeeignet. Es war überhaupt keine Piste mehr zu erkennen, alles verschwamm im losen Geröll eines Flusstals der von irgendwoher aus den Bergen kam . Aber in 2600 m Höhe im Freien ohne irgendwas zu übernachten, war auch keine wirkliche Alternative. Also die 35 km wieder retour. Ich fühlte mich wie auf einem Plastiksackerl sitzend im Eiskanal – soviel Halt hat man ungefähr mit Jeans auf einem Motorradsattel wenn man hinten draufsitzt. Bei jeder Mulde versuchte ich mich hochzudrücken, was mir die Piste mit einem Schlag gegen die Menisci beider Kniegelenke dankte. Ja und Christian gab wirklich sein Bestes uns möglichst heil da wieder rauszubringen – und er ist ein guter Offroadfahrer. Kurz bevor die schwierigen Etappen vorbei waren, grub sich das Vorderrad allerdings noch in den weichen Schotter – keine Chance …. wir kippten um. Zu unterst Christian`s Bein, dann meines und dann das Motorrad drauf …. Auuaaa. Was davon übrigblieb ist eine ca. Handteller große Brandwunde auf Christian`s Unterschenkel- der hatte leider mit dem Auspuff Kontakt, und bei mir unglaubliche Spatzen vor allem heute am Tag danach in allen vier Extremitäten von meinem Rhodeo-Ritt. Wir müssen es gestehen – es war gar nicht lustig und eigentlich auch gefährlich: NIE MEHR Msemrir !!