Reifenschaden
Unsere Freude „dürfen“ noch zwei Tage länger in Yadz bleiben, da ihre Visaverlängerung dies erfordert. Ein anderer Freund konnte dies eine Woche zuvor in 30 Minuten erledigen. Na ja, das ist die Realität hier – immer ist es anders. Wir fahren also zu zweit weiter und erreichen Kharnaq – eine verlassene Lehmstadt mit besonderem Reiz. Man kann alleine durch einst bewohnte Gassen und Häuser schlendern und den Charme einer vergangenen Zeit inhalieren.
Der nächste Tag hält wieder eine über 300 km lange Fahrstrecke für uns bereit. Wir wählen eine Abkürzung mitten durch die Berge nach Ravar. Schnurgerade Straßen führen durch eine spannende Bergkulisse, die uns in den unterschiedlichsten Farben begleitet. Abbaugebiete diverser Bodenschätze lassen sich in der Ferne ausmachen. Irgendwie hat die ganze Szenerie etwas „Gespenstisches“. Die Straßen ausgebaut wie Landepisten, doch kaum Autos zu sehen. Vereinzelt begegnen uns LKWs, Privatautos kaum und Menschen in den wenigen Ansiedlungen am Rande der Straße sehen wir überhaupt keine. Wie nach einem Seuchenalarm kommt es mir vor. Noch nie habe ich auf weiten Flächen so viel Nichts gesehen. Und doch transformiert sich eben dieses Nichts im Kopf zu eigenartigen Bildern. Man fragt sich, was da und dort wohl eingegraben sein mag, was entlang der unzähligen Gräben, von denen die aufgeworfene Erde daneben zeugt, wohl in Rohren transportiert wird? Man sieht nichts und vermutet doch Vieles. Uns drängen sich unweigerlich die versteckten Bilder vom „Schurkenstaat“ ins Bewusstsein und kreieren ein Bild, das wahrscheinlich überhaupt nicht stimmt. Aber schier, wir wissen es nicht.
Ja, und dann passiert es – ich öffne für ein Foto das Fenster und sage nur „da zischt es gewaltig, irgendwas stimmt mit dem Reifen nicht“. Und im gleichen Moment schlägt auch der Alarm unserer Reifendrucksensoren an. Wir verlieren gewaltig Luft. Die nachfolgende Inspektion zeigt einen an mehreren Stellen aufgebrochenen Reifen rechts vorne. Nicht angefahren und aufgeschlitzt, sondern irgendwie brüchig geworden. Materialermüdung. Im Moment alles noch völlig unverständlich. Was bedeutet das? Blüht uns das jetzt auch an den anderen Reifen? Können wir uns noch in die Wüste trauen? Wir merken, wie filigran dieses Sicherheitsnetz in der Fremde ist. Mal brüchig geworden, irritiert es viel schneller als zu Hause. Fakt ist – der Reifen muss runter. Jetzt darf Christian üben, ob er vorher alles gut „gelernt“ hat. Marc hilft auch mit und der Wechsel ist bald erledigt. Was natürlich immer noch nicht das Problem löst, dass wir nun keinen intakten Reservereifen mehr haben. Der Weg in die Werkstatt ist also vorprogrammiert. Aber vorerst noch nicht …. Besuch der Geheimpolizei (siehe nächster Blog)!
Wir fahren in die nächste Stadt zum Reifenpicker. Alles ist unglaublich mühsam, keiner spricht Englisch. Bald sind wir umringt von gut zwanzig Personen, die alle…. ja was weiß ich? ….. offensichtlich sonst nichts zu tun haben. Wir sind ohnedies schon beide ziemlich genervt und vielleicht auch nicht aufmerksam genug. Die Reparatur scheint mehr notdürftig zu werden. Er klebt von innen die Risse mit Patches aus Deutschland, wie er versichert. Bei der Bezahlung haut es uns zuerst mal um. Nach vielleicht einer Stunde Arbeit möchte er 400 Dollar! Die Sache wird noch mühsamer, er kann auch unsere Ziffern nicht lesen. Ein „Zuschauer“ holt einen Freund zu Hilfe. Wir kommen nicht weiter. Christian ruft unseren Bekannten in Täbriz an und Karim ist unglaublich hilfreich in dieser Situation, da er für uns übersetzt. Er sagt, Christian dürfe nicht zahlen, müsse die Polizei rufen. Machen wir. Karim übersetzt wieder und wir einigen uns auf € 60,--. Es sei hier nur kurz erwähnt, wir hatten wieder Besuch von der Geheimpolizei (siehe nächster Blog!)! Wir wollen nur noch weg und schlafen. Bei der Kontrolle am nächsten Morgen stellt sich heraus, dass er nicht deutsches, sondern iranisches Material verwendet hat und so schlecht geklebt hat, dass der nächste Reifenpicker, die Patches mit der Hand runterziehen konnte. Wir streichen den Tag – es reicht!
An der Karawanserei Cha-e Karo vor sagenhaft schöner Kulisse treffen wir uns alle drei
wieder. Das gibt Ruhe und Sicherheit. Wir hoffen auf keine weiteren Besuche der „Men in Black“. Wobei, das Befremdliche ist ja gerade, dass sie nicht schwarz gekleidet sind und auch keine
schwarzen Sonnenbrillen tragen. Dass man sie eben nicht erkennt, sondern sie ganz unauffällig und nett erscheinen. Doch es blieb bei diesem frommen Wunsch. Morgens waren sie wieder da. Drei Mann
im PickUp. Sie kontrollierten nichts, aber warteten, bis wir abfuhren. Sie scheinen uns immer im Visier zu haben. Ein Gefühl, das uns, zumindest für den Moment, nicht mehr los lässt.