Tso Kar

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der weiße See

Keylong – Sarchu (107 km) – über Pang zum Tsokar (140 km)

 

Keylong selbst ist ein häufig genutzter Ausgangspunkt für Trekkingtouren und beliebter Stopp für Biker. Der Ort ist staubig und runtergekommen, wie eigentlich jede Ansiedlung hier. Aber es gibt ein paar wenige Geschäfte, in denen auch wir uns noch mit ein paar „Schmankerln“ für die nächsten 10 Tage eindecken. Wir kaufen Obst, Müsli, Haltbarmilch, Cola, Wasser und Kekse. Unser nächstes Ziel heißt Sarchu. Der Keylong-Leh-Highway wird stark vom Militär genutzt, daher ist die Straße hervorragend ausgebaut. Da heißt es allerdings schon auch mal warten, bis die endlose Militärkolonne vorbeigefahren ist. Und sie kommen mit Lichthupe und hoher Geschwindigkeit daher – da sind die Machtverhältnisse schnell geklärt! Die Gegend grundsätzlich ist auf diesem Abschnitt nicht besonders reizvoll. War es zuvor noch sehr oft lehmhaltiges Gestein, das bizarre Formationen durch die Witterung hat entstehen lassen, gleichen jetzt viele Hänge einem Scherbenhaufen. Am Baralacha La auf 4940 m spürt man die Höhe schon sehr deutlich, sobald man sein Schritttempo beschleunigen möchte. Auch der Motor hat mittlerweile unter Belastung bergauf etwas an Leistung verloren. Nach einem guten Frühstück an der Straße – meistens treffen wir es wirklich gut – geht es weiter nach Sarchu, wo wir dasselbe High-Camp wählen, wie die Motorradgruppe, die wir schon aus Keylong kennen. So verbringen wir einen schönen gemeinsamen Abend. Unser Zelt ist gar nicht mal schlecht, ca 6x4 m, Nasszelle inkludiert. Natürlich gibt es kein Warmwasser und auch eine Dusche ist nicht drin – aber immerhin ein Bucket kaltes Wasser und eine Wärmflasche abends fürs Bett. Der Wind bläst unablässig und es wird nachts ganz schön kalt. Es ist fast so laut wie bei Bora am Segelschiff, so peitscht der Wind in die Zeltwände und das Gestänge ächzt. Nur gut, dass wir fest vor Anker liegen! Wir haben keine Kopfschmerzen oder wirkliche Atembeschwerden, ich schlafe aber dennoch nur wenige Stunden. Zuerst ist es mir in meinem Schlafsack so kalt, dass ich alle vorhandenen Decken drüberlege, bis ich mich ob der Last gar nicht mehr rühren kann. Und irgendwann spät in der Nacht, bekomme ich fast einen Hitzekollaps, auf dass ich mich aller Schichten außerhalb und innerhalb des Schlafsacks entledigen muss. Ja, und mein lieber Christian schläft neben mir den Schlaf der Seligen. Aber eh gut, er muss schließlich wieder viele Stunden fahren. Ab jetzt gilt übrigens internetfreie Zone. „Internet-Detox“, wie es der Motorrad-Guide so charmant genannt hat. Nun gut, er ist`s gewohnt.

Wir verlassen nördlich von Pang den Keylong-Leh-Highway Richtung Tsokar. Ein Kontrollposten macht klar, wir befinden uns ab jetzt in Ladakh. Wieder werden Passdaten und Nummernschild notiert und wir sind somit registriert. Angeblich dienen diese ständigen Aufzeichnungen an den Kontrollposten dazu, die Suche nach „verloren gegangenen“ Personen einzugrenzen. Vielleicht aber erhöht auch dieses große Buch nur wieder mal einen Stapel vieler großer Bücher in irgendeinem Büro.

Es geht auf die Changtang-Ebene. Hier beginnt ein völlig „anderes“ Ladakh, völlig anders als Zentralladakh. Die Straße ist anfangs noch sehr gut, dann sind wieder viele Abschnitte nur Schotterpiste. Tja und ab und zu kann schon ein ganz schöner Brocken die Fahrbahn mittig zieren. Da sind wir dann nur froh über das Timing! Das ist auch der Grund, weshalb ich in weiterer Folge keine Zeitangaben zu unseren Etappen mehr machen werde. Die Straßenverhältnisse können sich ganz rasch ändern. Grundsätzlich wird viel gebaut und erneuert. Doch jeder Winter kann Abschnitte wieder zerstören. Die Witterung bleibt hier einfach der Sieger. Wir begegnen 100ten Straßenarbeitern, die bereits am frühen Morgen entlang der Straße in beide Richtungen ziehen, wohl jeder zu einem bestimmten Bauabschnitt. Das zweifellos harte Alltagsleben zeigt sich hier ganz deutlich. Die Camps der Arbeiter, an denen wir vorbeikommen, wirken einfach nur abschreckend. Wieder einer dieser Momente, in denen wir uns fragen, wie man das aushalten kann.

Ein wieder perfekter Abschnitt entlang der Strecke ist jener der Gata-Loops. 21 Haarnadelkurven, die sich sehr beeindruckend den Berg hinaufschrauben. Kein Wunder, dass die Route Anziehungspunkt für Motorradfahrer ist. Sie führen uns auf den 5079 m hohen Lachunglang La.  Bald ändert sich die Landschaft abermals, das Gestein wechseln wieder vermehrt zu Sandstein und bildet imposante Formationen aus. Die Erde überzieht ein spärlich grüner Flaum und vollendet das Farbenspiel mit stahlblauem Himmel und fluffigen weißen Wolken.

Mittlerweile befinden wir uns auf einer Durchschnittshöhe von 4500 m, also beinahe oberhalb der Vegetationsgrenze. Hier ist die Heimat der Nomaden. Der größte Teil von Changtang befindet sich allerdings in Tibet, also ist fraglich, ob wir ihnen begegnen werden. Zumindest eine erste große Yak-Herde war uns vergönnt! Die meisten Hirten ziehen mit ihren Herden durch die noch entlegeneren Seitentäler, die wir mit dem Auto gar nicht erreichen können. Der Tsokar ist ein verbrackter Salzsee, an dessen Ufern früher Salz abgebaut wurde – heute ist davon nichts mehr zu sehen. Die einzige Ansiedlung - Ort kann man Thukje gar nicht nennen - in der eine Übernachtung möglich ist, wirkt fast völlig ausgestorben. Und das würde mich auch gar nicht wundern, zumal es hier einfach nichts gibt! Kein Geschäft, keine Schule, nur ein paar kleine Buden, in denen es Tee, Dal, Reis, Tütensuppen (sie nennen sie Maggi!) und wohl abgelaufene Chips gibt. Ja, und ein Kloster, das einer ewigen Baustelle gleicht. Der Wind bläst beständig über die flache Ebene, die Gegend hat mittlerweile wirklich alles an Lieblichkeit verloren. Übrig bleibt eine zurückweisende Kargheit, die mich fast erschreckt. Die Uferzone wird vom spärlichen aber dafür widerborstigen Grasbüschen dominiert, die dem beständigen Wind trotzen. Dazwischen Salzkrusten und sumpfige, etwas muffige Erde. Wenn man in die Ferne blickt, wähnt man sich auf einem fernen, lebensfeindlichen Planeten. Nachts ist es kalt bis etwa vier Grad zu dieser Jahreszeit und der Wind verstärkt auch in den Morgenstunden noch dieses Empfinden der Kälte. Erst mit der Vormittagssonne ändert sich das und es wird fast bedrohlich heiß in dieser Höhe. Also wundert es auch nicht, dass die Einheimischen fast immer mit vermummtem Gesicht anzutreffen sind – als Schutz vor Sonne, Staub und Wind. Die Gegend wirkt weltentrückt – irgendwie auch schön, aber auf jeden Fall lebensfeindlich.