Offroad durch das Königreich Spiti

 Nako – Giu (43km, 1.30 Std) - Tabo (30km, 1 Std.) – Dankhar (31km, 1.30 Std.) – Kungri im Pin Valley (36km, 1.45 Std.) - Kaza (45 km, 1,45 Std.) – über den Kunzum Pass nach Keylong (190km, 9 Std.)

 

Unsere letzte „Aufwärmetappe“ vor Ladakh führt uns durchs Spiti-Valley. „Spiti“ bedeutet  „Das mittlere Land“, also jenes zwischen Tibet und Indien. Das Tal und seine Umgebung gehören zu den am dünnsten besiedelten Regionen Indiens und seine Bewohner folgen dem tibetischen Buddhismus – und das sieht man allerorts ganz deutlich an der Architektur und den vielen Gebetsfahnen.

Tabo (3288 m) ist eine kleine Stadt am Spiti-Fluss und wird von einem buddhistischen Kloster dominiert, das der Legende nach über tausend Jahre alt sein soll. Im Inneren zeigt sich eine Fülle von wirklich außergewöhnlich schönen und gut erhaltenen Wandmalereien und Lehmstatuen. Von außen mutet der gesamte Komplex fast irgendwie arabisch an, so unscheinbar ins Braun der Lehmfassaden eingehüllt.

Auf unserem weiteren Weg Richtung Kaza machen wir einen Abstecher zur Mumie von Giu. Ber der Mumie soll es sich um einen Lama handeln, der im Alter von nur 45 Jahren verstarb. Ohne jegliche Konservierung blieb er im Gletschereis erstaunlich gut erhalten. Sogar die Haare sind nach über 500 Jahren im Eis noch sichtbar! Jetzt ist es mir klar – für meine nächste Frischzellenkur wähle ich ein Kühlhaus!!!

Wir bleiben meist nur eine Nacht an einem Ort, zumal unser Weg noch ein ziemlich weiter ist und wir für etwaige „Problemchen“ auch noch Reservetage aufheben wollen. Wir brechen also wieder früh auf und erreichen Dhankhar Village auf 3894 m. Das Dorf war im 17.Jahrhundert die traditionelle Hauptstadt des Königreichs Spiti Valley und liegt sehr pittoresk in die Landschaft eingebettet. Wir genießen ein wirklich köstliches Frühstück auf einer Sonnenterrasse mit Blick auf das Kloster am Gegenhang. Von dort starten wir auch unsere kleine Wanderung zum Dhankhar Lake auf 4140 m. Die kurze Tour dauert nur zwei Stunden und es gilt auch lediglich 300 Höhenmeter zu überwinden. Aber da ist sie wieder, diese Schwere und Kurzatmigkeit, die uns befällt, kaum dass wir uns ein bisschen anstrengen. Es ist nichts Schlimmes, aber durch die Höhe kommen wir trotzdem ganz schön ins Schnaufen.

Vielleicht hätten wir uns den darauffolgenden Abstecher ins Pin-Valley ersparen können. Vielleicht muss man auch nicht jedem Hinweis auf ein sehenswertes Highlight immer Folge leisten…Vielleicht, vielleicht, aber man weiß es vorher halt nie, und so waren wir eben dort – 30km rein ins Tal und wieder raus, einige ganz interessante Verwerfungen im Gestein, aber ja, wie gesagt, man muss nicht überall gewesen sein.

Irgendwann erreichen wir dann doch – ehrlich gesagt ziemlich müde – die Kleinstadt Kaza, die vordergründig einfach nur gruselig anmutet. Wir spazieren abends durchs Zentrum und wähnen uns in einer Geisterstadt. Der Strom ist ausgefallen, Generatoren rattern, tiefe Löcher tun sich auf und alles sieht nach einer einzigen Baustelle aus. Dazwischen Läden, spärlich beleuchtet, mit allerhand und nichts. Dann, bei Tageslicht, bemerken wir, dass Kaza eine sehr lebendige Stadt ist. Ausgangspunkt für viele Trekkingtouren und auch bekannt für viele Feste im Juli/August. Auch wenn sie auf den zweiten Blick etwas von der Hässlichkeit des Vorabends verloren hat, an wirklichem Charme gewonnen hat sie dennoch nicht. Für uns bleibt Kaza eine riesige Baustelle. Die häufigen Stromausfälle sind wohl der Tatsache geschuldet, dass in zu kurzer Zeit zu viele neue Anschlüsse dazukommen, die das Netz nicht mehr tragen kann.

Wirklich schön ist allerdings unser Ausflug zum nur 20 km entfernten Kee-Monastery, das mit seinen Umgebungsbauten wie eine Festung am Berghang thront. Die Luft früh morgens ist fast unnatürlich klar, einfach wunderschön. Generell ist das Klima extrem trocken, was wir speziell an Haut und Schleimhäuten mittlerweile deutlich spüren können. Das ist jetzt nicht ganz g`schmackig, aber an der Nasenschleimhaut bilden sich ständig Krusten und auch die Kehle ist kratzig und fühlt sich oft völlig ausgetrocknet an. Böse Zungen mögen jetzt behaupten, dass dies nur an der Alkoholabstinenz liegen würde! Tja, nur ganz selten findet sich ein English-Wine-Shop und spuckt ein Bier aus.

Spiti hat eine kalte Wüstenumgebung und besticht doch immer wieder durch sattes Grün. Traditionell wird hier Gerste und schwarze Erbse angebaut. Die Dörfer in Spiti sind vollständig auf Schmelzwasser aus Winterschnee und Gletschern angewiesen. Wir hören, dass sich die Gletscher in den letzten Jahren spürbar zurückgezogen haben. Nun ist Spiti aber praktisch das Sommerhaus für viele halbnomadische Gaddi-Schafe und die Hirten brauchen die Gletscherbrücken für ihre Wanderungen. Der Klimawandel bedroht somit ihre Tradtion. Die Region ist auch bekannt für die Aufzucht der seltenen Chumurti-Pferde, die wir immer wieder ganz alleine entlang der Straße ziehen sehen, vollbepackt und es Weges ganz offensichtlich kundig.

Nach zwei Tagen Kaza – dazwischen liegt ein ruhigerer Tag für Logistik und Büro – folgt unsere Königsetappe nach Keylong. Die Angabe von 5 Stunden Fahrzeit für 190 km ist „lieb gemeint“, aber wohl irgendeinem Traumtänzer entsprungen, von der Realität aber weit entfernt. Natürlich, wir machen viele Fotostopps, auch eine kleine Frühstückspause ist inkludiert, aber es bleibt dennoch ein Monstertrip!! Die Straße ist vorerst gut ausgebaut – und damit meine ich ein durchaus passables Asphaltband für maximal 1 ½ Fahrzeuge! Das ändert sich aber plötzlich blitzartig. Wie aus dem Nichts endet das schmale Asphaltband an der Auffahrt zum Pass und geht in eine Piste über, die ihresgleichen sucht. Die Strecke geht steil über unzählige Haarnadelkurven nach oben auf den Kunzum La (4551 m) und testet dabei die Fahrkünste aller Wagemutigen. Die Fahrt ist aber wirklich wunderschön. Große Schaf- und Ziegenherden bilden immer wieder eine tierische Barriere auf der Straße und da heißt es für uns erstmals „bitte warten“.

Sehr beliebt ist die Strecke auch bei Motorradfahrern. Viele Fahrer und Reisende suchen den Segen von Kunzum Mata, bevor sie die gefährliche Reise fortsetzen. Und vielleicht hätten wir das auch tun sollen!! Nein, nein, es ist ja nichts passiert, aber es gab einige Passagen, in denen der Allrad wirklich gefehlt hat und nur weil Christian beständig am Gas blieb, konnte die Passage bewältigt werden. Sehr grobes Geröll, tiefe Wasserdurchfahrten, Steilabbrüche an denen es jeweils links oder rechts 14 Tage bergab geht. Und dazu wieder die Steinschlaggefahr. Die Strecke ist normalerweise von Juni-November geöffnet, aber immer abhängig vom Wetter und den Reparaturarbeiten. Letztere scheinen in diesem Jahr ausgefallen zu sein! Langsam nähern wir uns auch wieder der Wetterscheide nördlich des Rotang La Passes, und erste Regentropfen erreichen den Norden. Vom Süden sehen wir dicke Haufenwolken die der Monsun an den Berghang drückt, aber nur wenig kommt über diese Wetterscheide. Trotzdem wird die Landschaft etwas grünlich, sogar einige Blumen sind zu entdecken und es mutet ein wenig nach europäischen Alpen an. Wir sind froh als wir denn endlich die Nordrampe des Rotang La erreichen und sich die Piste wieder in akzeptablem Zustand zeigt.  Na jedenfalls haben wir während dieser satten 9 Stunden alle Zahnplomben und Bandscheiben auf ihre Festigkeit getestet und sind ziemlich erschöpft in Keylong angekommen!

Und da gönnen wir uns nun wieder einen Tag Pause, bevor wir morgen in den nächsten Abschnitt unserer Reise eintauchen – auf die Hochebenen von Ladakh und Changtang….