Good break, good horn, good luck

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Autofahren in Indien

 „Where is your driver?“ ist immer die erste Frage am Checkpoint. Wir legen also Pässe und Permit vor und Christian sagt „It`s me. I`m driving…“. Dann folgt ein kurzes Nicken mit dem Kopf rechts, links und wieder retour seitens des Beamten, begleitet von einem ungläubigen Blick. So machen wir es jetzt schon gute 2300km von Delhi, über die Changtang-Ebene bis ins Nubra-Valley in Zentralladakh.  Dass Ausländer in Indien selbst fahren ist ganz und gar unüblich…….

Nun gut, es ist bekannt, das Auto ist rechtsgesteuert und wir fahren auf der linken Fahrbahn. Irgendwie verkehrt. Beim rechts abbiegen an stark  befahrenen Kreuzungen – und in Delhi gibt es eigentlich keine anderen -  ist es vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Man gewöhnt sich aber daran. Vielleicht braucht es noch etwas, um auch die Kühe als gleichberechtigte – nein vorrangige – Verkehrsteilnehmer zu akzeptieren. Bald zeigt sich aber, wie adaptativ unser Gehirn doch ist. Ob ich auch fahre???? Neiiiiiin! Niemals! Auf gar keinen Fall!!!!

Wir wollten ja unbedingt als Selbstfahrer unterwegs sein, um selbstbestimmt am Morgen starten zu können und um Stopps zu machen, wann und wo wir es wollen. Das schlagendste Argument war allerdings folgendes: Sich auf Ladakhs Passstraßen vertrauensvoll in die Hände eines typisch zentralindischen Taxifahrers aus Delhi zu begeben, würde das wohl größere Risiko in sich tragen. Es gibt kaum 4x4 Autos. Und somit…mit dem trickreichen Spiel von adäquater Beschleunigung und dem sensiblen Gespür für Gas und kuppeln in der Steigung tut sich der bergerfahrene Österreicher wohl leichter!

Die Gesetze der Straße in Indien sind eigentlich ausgesprochen simpel. Zuerst mal : der Stärkere hat recht und er hat Vorrang. Und dann  benötigt man  drei Dinge, um auf der Straße zu überleben: Good break, good horn, good luck. Das ist schon alles! Unser Mahindra Scorpio gibt sein Bestes und Christian dazu das Seine.

Die Straßen sind teilweise hervorragend ausgebaut. Bis zu der Stelle, da das wunderbare Asphaltband ganz plötzlich einen Abbruch erfährt und sich in ein richtig tiefes Loch verwandelt. Nicht unbedingt groß, aber doch so tief, als dass Stoßdämpfer, Querlenker und Bandscheiben bis zum Anschlag belastet werden, sollte man diese Metamorphose nicht rechtzeitig erkannt haben. Ganz ähnlich widerfährt es dem mutigen Selbstfahrer auch an diversen - und ausnahmslos niemals gekennzeichneten - Bodenschwellen, die einem querliegenden Monsterwurm gleich aus dem Untergrund wachsen. Auch wenn vier Augen wie gebannt nach diesen und ähnlichen Monstern Ausschau halten, kann man sie übersehen. Und dann heißt es wieder „Sorry“ an Federn und Bandscheiben!

Interessant bleibt auch immer die Begegnung mit Bussen oder LKWs, die einem, wenn man  bergauf fährt, entgegenkommen. Sie also donnern folglich bergab und sind im Geschwindigkeitsrausch! Meist noch mit Gepäck am Dach, driften sie einem mit ihrem aberwitzig hohen Schwerpunkt allen Fliehkräften zum Trotz in der Kurve entgegen, auf dass mir oft der Aufschrei im Halse stecken bleibt. Zum Schimpfen bleibt ohnedies keine Zeit, schon geht das Abenteuer weiter.

Wirklich erheiternd fand ich auf dieser Strecke die vielen aufmunternden Schilder am Straßenrand „Don`t gossip, let him go“, oder „ Driving faster, makes desaster“, nicht zu vergessen. Äußerst spannend sind immer jene Passagen, wo  zuvor gelbe Warnschilder mit

„ shooting stones“ oder „ landslide prone area „ stehen.

Die grundsätzlich engen Bergstraßen haben eigentlich viele Ausweichen für eben diese Konfrontationen. Doch irgendwie entgeht die Bedeutung derselben vielen Fahrern gänzlich, fahren sie doch zielstrebig daran vorbei, um an der nächsten Engstelle „Schnauze auf Schnauze“ mit uns zum Stehen zu kommen. Dann werden die Seitenspiegel eingeklappt, man rollt millimeterweise vor und zurück, der in der Außenkurve sieht dabei schon 14 Tage in den Abgrund, der Kopf wackelt wieder mal rechts, links, rechts und irgendwie geht es dann doch. Und es gibt noch eine weitere gängige Möglichkeit, um die Geschwindigkeit beim Aufeinandertreffen NICHT reduzieren zu müssen: Der Entgegenkommende bedient kurz vor dem Zusammentreffen die Lichthupe, was soviel bedeutet wie „I`m stronger! You move“! Und es ist völlig unerheblich, wie das Kräfteverhältnis tatsächlich ist. Entscheidend ist die Tatsache, wer zuerst (!) die Lichthupe betätigt hat. Und verbindlich wird dann der Langsamere das Bankett als Ausweiche verwenden – aus reinem Überlebenswillen!

Auch das Überholen folgt einem klaren Regelwerk. Man fährt dem Vordermann ganz nahe an sein Heck, dann hupt man mehrmals kräftig, womit man signalisiert „ich will vorbei“. Zu diesem Zeitpunkt sieht man noch nichts, setzt aber bereits zum Manöver an. Der Vordermann wird irgendwann eine kleine Ausweiche auf der linken Seite nutzen, um ein wenig Platz zu machen. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen. Man beschleunigt auf Maximum, sieht immer noch nichts, hupt dafür kräftig, um alle eventuell Entgegenkommenden zu warnen und quetscht sich dann in die Lücke vorne rein. Und das funktioniert. Mal ist man der Überholende, mal der Entgegenkommende, der bremst. Auf jeden Fall aber muss man immer (!) hupen!

 

Wenn man diese wenigen Regeln befolgt, kommt man eigentlich ganz gut durch den indischen Straßenverkehr J.