Aufbruch
in ein neues Abenteuer
Flug nach Delhi – als Selbstfahrer weiter nach Shimla (350 km, 9 Std. Fahrzeit) – Sarahan (160 km, 6 Std. Fahrzeit)
Die Zeit zu Hause war intensiv, irgendwo dazwischen musste Christians Recherche noch Platz haben und rausgekommen ist ein ziemlich cooler Reiseplan. Unser Fluggepäck ist diesmal irgendwie anders. Neben Kleidung und der üblichen Foto- und PC-Technik beinhalten unsere Koffer noch so Kleinigkeiten wie ein dynamisches Bergeseil, Material und Schläuche zum Dieselum- wie -einfüllen, Utensilien zum Reifenkleben, einen kleinen Kompressor und Kleinmaterial von Kabelbindern bis Sicherungen, etwas Basiswerkzeug etc...... Ja, und wir hoffen, dass wir nichts davon brauchen werden. Dazu noch Zelt, aufblasbare Matten , Schlafsäcke und Basiskochausrüstung mit Benzinkocher. Daraus lässt sich schon erkennen, dass wir eine Kleinigkeit vor haben. Alleine mit dem Auto nach Ladakh zu fahren, in touristisch entlegene Bergtäler einzutauchen, erfordert ein gewisses Maß an Weitblick in der Vorbereitung, ein Quäntchen Mut und ein bisschen verrückt sind wir sowieso.
Diesmal musste es einfach wieder mal Indien sein – und es sollte in die Berge gehen. Nach Ladakh und Kashmir, entlang entlegener Hochtäler wie das Kinnaur-Valley, weiter ins alte Königreich Spiti. Dazwischen liegt der Transhimalaya – ein Bergmassiv mit einer durchschnittlichen Höhe von 5800-6000 Metern. Vom Tiefland her steht der Monsun an den Bergenketten an und bringt Nebel, Regen und nicht selten Erdrutsche. Durchkommen also ungewiss, die Route daher nur fakultativ. Die Reisezeit ist optimal, dennoch sind wir selber schon gespannt, was geht und was nicht….
Der Start war schon mal gut, wie Christian meinte… Na ja, vielleicht nicht gerade die erste Nacht! Das Hotel in Flughafennähe ist einfach nur incredible (wer kennt sie nicht - die Werbung " incredible India") – vielleicht sollte das schon eine Einstimmung auf Indien sein? Was soll`s, es ist ein absoluter Graus, nähere Beschreibung unnötig und unsere Stimmung „ein kleinwenig“ am Tiefpunkt. Einfach mal drüberschlafen lautet da mein Rezept….
Dann, am nächsten Tag… dann war der Start schon mal gutJ. Pünktlich steht unser Leihauto vor der Tür und der Mahindra Scorpio sieht nicht mal schlecht aus. Allrad hat er ja keinen, weil den gibt es für Private leider nicht. Christian hat das Auto für unsere Bedürfnisse verkabelt, 220V und allerhand 12V Steckdosen für Film, Kamera, Navi, Internet und Telefon. Kanister für 80L Reservediesel organisiert, ebenso einen Tea Stall fürs Frühstück sowie einen Englisch Wine Shop ausfindig gemacht – in all diesen Dingen ist er einfach grandios. Und so sind wir wieder ganz gut ins indische Leben eingetaucht, was für Christian schon wie Lichtschalter umlegen geht. Und ich erfreue mich wieder am scheinbar zusätzlichen Wackelgelenk in der Halswirbelsäule der Inder, in dem ihr Kopf wieder so liebenswert rechts-links-rechts wippt, ganz gleich, was damit auch ausgedrückt werden will. Mal heißt es ja, mal nein und dann wieder weiß nicht.
Um 09.00 starten wir durch den ganz normalen indischen Straßenwahnsinn von Delhi. Vieles hat sich bereits geändert, erzählt mir Christian, es ist viel moderner und wohl auch geordneter, aber auf den Straßen bleibt dennoch der Wahnsinn beheimatet, so habe ich das Gefühl. Mal überholt man rechtsrum, mal linksrum, mal kreuzt eine Kuh den Asphalt, Busse halten nicht selten mitten auf der Fahrbahn, spucken ihre Passagiere auch direkt dorthin aus, und unter den großen Autobahnbrücken lebt immer noch jene Schicht Inder, die leider nicht zu den Gewinnern des Fortschritts gehört.
Unser Ziel für heute ist Shimla, Hauptstadt des Bundesstaates Himachal Pradesh, auf 2200m Höhe. Die letzten 100 km werden immer kurviger und auch gebirgiger. 2 Mal sehen wir dem Tod durchaus ins Auge, als jeweils ein LKW beim Überholen auf unserer Fahrspur daherdonnert. Da heißt es nur noch ganz rasch auf die Bergseite ausweichen. Christian hat versprochen, seinen Fahrstil auf ultradefensiv umzustellen! Obwohl dabei durchaus ins Schwitzen gekommen, ist die Temperatur gottseidank von heiß-schwülen 38 Grad in Delhi auf angenehme 20 Grad gesunken. Das Niederschlagsrisiko beträgt allerdings 90 % und wir sitzen im Nebel! Diesmal haben wir unser Quartier besser erwischt. Vor den großen Balkonfenstern tummeln sich Kapuzineraffen auf den Schirmpinien und bieten uns ein nettes SchauspielJ.
Aus gutem Grund zog sich die Britische Kolonialregierung in den Sommermonaten in die kühle Höhe Shimlas zurück. Und daran erinnern noch viele Bauwerke, v.a. jene auf der Mall, der Hauptfußgängerzone der Stadt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde The Mall auch für Inder zugängig, davor war sie für sie verbotenes Terrain. Hier befanden sich Banken, Teesalons und Geschäfte der „feinen“ britischen Kolonialgesellschaft. Wie wunderbar, dass dies heute nicht mehr so ist. Und so finden wir unseren Frühstücksplatz eng eingekeilt zwischen Indern, bei duftendem Masalatee und dem angeblich besten Paratha der Stadt und fühlen uns herrlich.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Norden ins Kinaur-Valley, bis nach Sarahan, bekannt durch den großen Kali-Tempel. Schon in der Nacht allerdings schwant uns Böses, da es wie aus Kübeln schüttet. Dementsprechend ausgewaschen ist auch die Straße. Aber gut, sie hält, es gibt auch keine Abbrüche, nur tiefe Löcher und seitlich Geröll, das vom Berg kam. Aber diese Tatsache entfesselt ganz offensichtlich in den Fahrern ihr Ralley-Gen! Wir teilen den schmalen Streifen Asphalt mit unzähligen LKWs und PKWs, und alle überholen in absoluter Kamikazemanier an den unmöglichsten Stellen. Nicht umsonst steht auf jedem LKW hinten „Blow horn“ drauf. Und genau das tun sie alle! Es wird gehupt und gehupt, und einfach drauflosgefahren. Ich bin eigentlich verwundert, dass kaum Karosserieleichen am Straßenrand zu sehen sind. Auf Millimeter zu fahren, das können sie, die Inder, das muss man ihnen lassen. Das können wir genau so gut, wir kommen dennoch ziemlich geschlaucht an unserem Ziel an. Leider immer noch im völligen Nebel, aber dafür nieselt es ein bisschenJ. Den herrlichen Blick auf den Kinaur Kailash können wir uns nur vorstellen. Wir hoffen, dass sich das Wetter bessert, je höher wir kommen und unsere Fantasie bald zur Realität wird. Heute übernachten wir bereits die dritte Nacht auf ca. 2200 m Höhe und wir hoffen, dass unsere roten Blutkörperchen schon ein bisschen mehr Sauerstoff bilden können. Am ersten Tag in Shimla nämlich, als wir die vielen Stufen des am Berghang liegenden Ortes nach oben gingen, hatte sich das in unseren Muskeln schon bemerkbar gemacht. Mal sehen, wie es uns bei der nächsten Anstrengung geht….