Quer über die thessalische Tiefebene
Wir verlassen die Ostküste und somit das Gebiet der Nördlichen Sporaden und reisen quer durch Thessalien hinüber zur Westküste. Nachdem wir wirklich die größten Engstellen unseres bisherigen Reiselebens erfolgreich gemeistert haben, freuen sich alle – Styros und wir – auf ein bisschen mehr Platz und Bewegungsfreiheit. Wir tauschen also die verträumt lieblichen Ecken des Pilion gegen eine hervorragend ausgebaute Schnellstraße quer druchs Land. Um Strecke zu machen, ist dies vorrübergehend durchaus angenehm. Der Durchschnittsverbrauch unseres Dicken sinkt wieder auf akzeptable Werte und rascher als gedacht erreichen wir bereits wieder das nächste Highlight jeder Griechenlandreise. Wenngleich wir Meteora bei unserer letzten Reise bereits ausführlich besichtigt haben, wollen wir dieser einzigartigen Szenerie dennoch einen Besuch abstatten. Die bizarren Felsnadeln des „Steinernen Waldes“ am Rand der thessalischen Tiefebene bieten nun mal einen unvergesslichen Anblick. Wir füllen vorher im Ort Kalambaka wie im Vorjahr unsere Wasser- und Nahrungsreserven auf, fühlen uns mit allem gleich ganz vertraut und beziehen den uns schon bekannten Standplatz am Parkplatz vor dem Kloster Verlaam. Ziel dieses zweiten Besuches ist ein ganz spezielles: wir wollen Elise starten und mit ihr einen Rundflug wagen. Noch ist nicht klar, ob dies möglich sein wird, weil der Wind einfach noch zu stark ist. „Man kann sich der Natur nicht widersetzen – das ist widersinnig, seht das doch endlich ein“, mahnt uns Platon fast und versucht Christians Ungeduld zu zügeln. Aber schließlich wären diese Luftaufnahmen eine kongeniale Ergänzung zum Rest unserer Fotos! „Nichts Unvollendetes kann für etwas Maßstab sein“, holt uns der gute Mann ein weiteres Mal in die Realität zurück. Wir wollen keine neuen Maßstäbe setzen, wir experimentieren. Man wird doch noch Wünsche, Hoffnungen und Träume hegen dürfen. „Das machen wir Menschen heutzutage so, lieber Platon“, schleudere ich ihm fast entgegen. Ich kann nicht leugnen, dass sein philosophischer Zugang oft nervt, zu rechthaberisch, wie ich meine. Und wie, als ob das Universum uns recht geben wollte, flaut auch der Wind etwas ab, und die Bedingungen werden für Elise durchaus akzeptabel. Oh, welch eine Freude! Christian manövriert seine neue Flamme abends und dann gleich nochmal früh morgens sicher zwischen den riesigen Steinsäulen hindurch, den senkrechten dunklen Felsen entlang hinauf und hinunter, wagt sich weit hinaus, sodass sie bereits lange aus unserem Blickwinkel verschwunden ist, und bringt sie auch immer wieder sicher zurück nach Hause. Längst schon hat Christian den Anfängermodus verlassen und wagt sich in immer neue Gefilde. Wir haben, was wir uns vorgenommen hatten, erreicht. Ein gutes Gefühl so nach getaner Arbeit – und wir triumphieren ein bisschen vor Platon. Der hingegen zeigt sich heute fast ausnahmslos von seiner mürrischen Seite. „Der Zugang zur Macht muss Menschen vorbehalten bleiben, die nicht in sie verliebt sind“. Quatsch Platon, wir wollen nicht Macht ausüben, bloß Spaß haben. Und das hatten wir.
Und so optimistisch geht es weiter gen Westen, entlang der Autobahn. Da die Gebühren recht hoch sind, rollen wir fast alleine über den perfekten Asphalt, durch unzählige und wirklich lange Tunnels, unserem nächsten Ziel entgegen: der Ausgrabungsstätte Dodona. Ich starte einen neuen Versuchsballon und bitte Platon, uns doch ein bisschen davon zu erzählen. Er zeigt sich gnädig: „Lange vor eurer Zeitrechnung wirkten hier antike Priester und verkündeten ihre Orakelsprüche. Sie vernahmen die Stimme der Götter dem Rauschen der Blätter, dem Zwitschern der Vögel oder dem Plätschern einer Quelle“… „Wie man es halt grad so braucht“, entfährt es mir. Doch sogleich zügle ich meine vorlaute Zunge und lausche weiter andächtig. „Glanzstück, meine lieben Unwissenden, ist das imposante Theater, in dem einst gut 18.000 Menschen Platz gefunden haben“. Ich kann direkt spüren, wie gerne Platon auch hier gesprochen hätte, sich einer aufmerksamen Zuhörerschaft gewiss. Aber auch wir sind schon voller Neugierde und spazieren los. Die Anlage gehört uns wieder mal fast alleine und so verbringen wir gemeinsam mit Elise einen optimalen Aufenthalt im hier ältesten und doch eher unbekannten Tempel Griechenlands. Dieser letzte gemeinsame Ausflug mit Platon verläuft ansprechend, ruhig und überaus freundschaftlich. Wir haben so manch philosophische Lücke versucht aufzufüllen, und Platon hat wieder mal Zugang zum normalen Volk schnuppern können. Also doch eine win-win-Geschichte, was will man mehr. Damit beschließen wir auch unseren kulturellen Auftrag in diesem Land und fahren ganz an die Westküste, um uns dort mit unserem Freund Franz aus Steyr zu treffen. Ob auch er Philosoph ist? Das werden wir berichten. Es folgen vorerst mal drei schöne Tage am Strand bei Sagada, kurz vor der Grenze zu Albanien. Weniger philosophisch, aber dafür sehr entspannend!