Hoch und Tief im Reisealltag
Wir verbringen ein paar wirklich entspannende Tage am Shkodra-See, in Donji Murici, wo wir schon vor zwei Jahren waren. Es ist eine von den zwei einzigen Möglichkeiten an der Südseite (oder besser Westseite) des Sees ans Ufer zu gelangen, und es ist ein ganz wunderbarer Fleck. Erst heute wird uns so richtig bewusst, wie tapfer und mutig Christan vor zwei Jahren als quasi LKW-Anfänger war, als er uns diese enge Straße über die vielen Serpentinen nach unten an den See gebracht hat. Heute fühlt sich das alles fast wie ein Klacks an, und nur die Erfahrung mahnt uns gleichzeitig, dass es ganz so leicht nicht ist. Na jedenfalls wir finden uns wieder an unserem Traumplätzchen ein. Die vielen Tagestouristen, Fischer, die einen Wettbewerb abhielten, verschwinden bald, und die Ecke gehört uns fast alleine. Der glasklare Süßwassersee präsentiert sich in seiner vollen Pracht und wir sind voll motiviert unser Kajak zu Wasser zu lassen. Alles ist rasch aufgepumpt, die 5,30 Meter Gummi liegen startbereit im Wasser und ich warte nur noch auf die volle Schubkraft unseres 5PS-Motors, der uns zu den Inseln im See bringen sollte. Nur schier der Gute hat scheinbar ein Motivationsproblem – er springt zwar an und läuft, doch auf Drehzahl will er nicht kommen. So tuckern wir auf Halbmast dahin. Oder wie wäre es mal mit Paddeln? Alles klar, schließlich haben wir die Ausrüstung zum Rudern wie auch zum Stechpaddeln. Es kommt, wie es kommen muss – Christian gibt das Kommando und ich mache natürlich alles falsch! Na dann tauschen wir doch mal die Positionen! Und siehe da, es funktioniert auch nicht besser! Dann wird es wohl nicht an mir gelegen sein, dieser Beweis ist somit zweifellos erbracht. Fazit: wir müssen noch üben… und tuckern vorerst schaumgebremst weiter!
Danach geht es an die Ostseite des Shkodra-Sees. Dort gibt es einen wirklich netten – und ja auch den einzigen – Campingplatz. Man kann sich also noch in Shkodra down-town mit köstlichen Torten und Süßigkeiten eindecken, und schon sind die Tage am Campground gerettet. Egal, ob das Wetter nun mitspielt, und in unserem Fall tut es dies nicht – es regnet - man weiß sich seine Zeit zu vertreiben. Zu unserer Freude treffen wir nochmal auf Franz, von dem wir uns ja schon fast getrennt hatten, und treffen gleich auch noch auf Jörg aus Deutschland, von dem wir schon so Vieles davor gehört hatten – jetzt also Kennenlernen live. So schön kann Reisen sein…
Die letzten Kilometer in Richtung Heimat bestreiten wir auf ziemlich gewohnten Wegen. Den Standplatz hoch über Dubrovnik kennen wir schon gut und alles hätte ganz relaxed sein können. Wäre da nicht dieser „kleine Absturz“ passiert. Nein nein, nicht wir sind abgestürzt, Christian hat Elise gegen den Fels gesteuert! Welch ein Schock, welch eine Aufregung. Christian fliegt voller Elan über die geschichtsträchtige Hafenstadt, alles läuft gut…. doch plötzlich … er starrt kreidebleich auf sein Display … „ich hab sie verloren, hab sie in den Fels gesteuert“. Ich weiß zuerst gar nicht, was mir mehr leid tut. Der Verlust Elises, oder Christian, der wie ein Häuflein Elend seinen Fehler auch noch am Display mit ansehen musste. Die Bilder drehen sich, man sieht nur noch Gebüsch und Steine und plötzlich steht alles still. Ja, was soll man sagen, die meisten Flugzeugabstürze sind ja durch Pilotenfehler bedingt – so auch diesmal. Abstand 60 Meter war leider nicht vor ihm gemeint, sondern Elise war bereits hinter ihm in Richtung Felswand unterwegs. Christian ist wohl doch kein Kind der Joy-Stic-Generation. Mit letzter kognitiver Kraft entdeckt Christian noch die Ortungsfunktion in seinem Menü. Doch wie lange wird der Akku noch reichen? Hektik bricht aus. Hinter uns der Berg, Maccia, Felsen, alles ist scharfkantig und stachelig, wir klettern in Windeseile hinauf, Christian versucht das Signal richtig zu deuten, eine letzte Chance, das wohl letzte Zeitfenster einer möglichen Ortung. Unsere Unterschenkel und Arme sind zerkratzt, verschwitzt sind wir sowieso…. und plötzlich höre ich aus einem dornigen Gebüsch heraus ein leises uhmuhmuhm… Elises letzte Zuckungen – ich habe sie gefunden! Wir können es gar nicht glauben, dieses stachelige Dornengebüsch hat unsere Drohne richtig schützend aufgenommen, kein Rotorblatt scheint verletzt, die Kamera wirkt intakt, alles im grünen Bereich. Was sind wir froh unsere Elise wieder heil nach Hause bringen zu können! Der Tag ist gerettet. Wer hätte das gedacht…..
Ja, wir haben schon wieder mal ziemlich viel erlebt auf dieser Reise – haben viel gesehen, Altes wie Neues, hatten keinerlei Pannen, Wetter und Menschen waren uns stets wohl gesinnt, und überhaupt gibt es keinen Grund zur Beschwerde. Und doch, man kann den Alltag nie völlig ausblenden, ich meine den Alltag zu Hause und auch jenen tief drinnen in einem – manchmal holt er uns einfach ein. Und dann, ja dann, werden wir ein bisschen „reisemüde“, alles fühlt sich beschwerlich an und das Bedürfnis nach Vertrautheit, ja auch nach Zuhause, weil eben das einem gerade in diesen Momenten Sicherheit geben kann, wird unweigerlich größer. Trotzdem wir so losgelöst von einer 5-Tage-Arbeitswoche mit all dem dazugehörenden Stress leben, holen uns Realitäten immer mal wieder ein. Das ist ganz normal, das ist Teil unseres Daseins, unserer Identität, und es ist ganz einfach auch Bestandteil unseres Lebens. Und eben hatten wir auch solche Tage. Menschen, die reisen wie wir, werden jetzt sicher ganz genau verstehen, wovon ich spreche. Von den anderen können es manche vielleicht erahnen. Es ist der ganz normale emotionale Alltag mit all seinen kleinen und manchmal auch größeren Belastungen, der einen wie ein flinkes Wiesel verfolgt und nicht so leicht abschütteln lässt. Dann hat man eigentlich keine andere Chance, als sich ihm zu stellen – und eben das machen wir auch hier auf unseren Reisen. Mal besser und erfolgreich, mal schlechter und ohne erkennbaren Nutzen. Nun gut, so viel zu unserem Alltag. Und dann, wenn Herz und Hirn wieder ein bisschen Freiraum gewinnen, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren, dann können wir auch wieder erkennen, durch welch wundervollen Landschaften wir fahren, und wie schön sich uns die Natur präsentiert.
So folgen zu guter Letzt nur noch ein paar erholsame Tage an einem grenzgenialen Standplatz bei Murter. Direkt auf einer Mole in der Bucht von Modrava. Wir stehen auf drei Seiten von Wasser umgeben, und es fühlt sich fast wie auf dem Boot an, nur dass der Untergrund nicht schwankt. Letzte Sonnenuntergänge, letzte gemütliche Stunden mit Birgit und Günther, die finale Heimreise naht….