Butrint - das Tor nach Albanien

 

Wir passieren die Grenze zwischen Griechenland und Albanien und schlagartig ändert sich so Manches. Man erkennt ganz schnell, dass man Europa verlassen hat. Hier tut sich eine andere Welt auf, die vom Fortschritt wie wir ihn kennen, noch weit entfernt liegt. Aber das Land ist dennoch reich an Schätzen – und die Hafenstadt Butrint ist zweifelsfrei einer davon.

 

Nach der klassischen Mythologie gründeten die Verbannten der gefallenen Stadt Troja die Stadt Butrint. Im 4. Jhd.v.Chr. wurde dann zu Ehren Asklepios, Gott der Medizin,  hier eine der bedeutendsten Tempelanlagen seiner Zeit gegründet. Und auch danach blieb Butrint immer Teil der mediterranen Welt und hat eine beeindruckende Reise durch die Geschichtsepochen vollzogen. Hellenistische, byzantinische, venezianische und osmanische Einflüsse zeugen noch heute davon.

 

Am Tag unseres Ankommens lässt das Wetter vorerst etwas zu wünschen übrig und wir beziehen zuerst mal unseren Standplatz bei Freddy. Eine Empfehlung lieber Freunde, die wir nur wärmstens weitergeben können. Eine malerische Bucht, kurz vor der Ortschaft Ksamil, ein Strand mit Westausrichtung vom Feinsten und …. jetzt kommt`s: der überaus nette Betreiber Freddy unterhält einen grandiosen italienischen Koch – und Giovanni hat auch irgendwie was „Göttliches“! Wir können nach unserem opulenten Mahl, bestehend aus gegrilltem  Octopus, Muscheln vom Feinsten und allerhand landestypischer Zuspeisen kaum noch ein Wort sagen und beenden den Abend dann bald nach Espresso und Grappa mit wohligem Schlaf.

 

Am nächsten Tag brechen wir natürlich wieder früh auf, um die ersten in der archäologischen Stätte zu sein – und das waren wir. Wir haben nun doch schon einige dieser Stätten im Mittelmeerraum besucht – diese hier verzaubert uns aber ganz besonders. Eingebettet in diese völlig bewaldete Halbinsel liegen die Zeugen der Vergangenheit fast völlig versteckt, vom Eingang her nicht zu erkennen. Und es beginnt eine wirkliche Reise, die uns zu Fuß gute drei Stunden durch eine fast vergessene Welt führt. Wir wägen uns ein bisschen in den Stätten Tikals in Guatemala, so versteckt im Grün ist alles. Die Natur gleicht einem mediterranen Dschungel, üppig und intakt. Nur dass uns hier nicht die Brüllaffen begrüßen, sondern das morgendliche Konzert der Vögel und Frösche.  In wirklich besonders ansprechender Art wurde hier restauriert - Altes erhalten und mit dezenten Kunstgriffen durch wenige neue Details wieder zu neuem Leben erweckt. Man findet nicht nur wenige Steine und Säulenfragmente, die bloß in unseren Köpfen ein Ganzes entstehen lassen, hier steht noch richtig Vieles, bereit zum Anfassen und Bestaunen. Ein venezianischer Turm, ein antikes Theater, ein römisches Thermalbad lässt sich durchaus erkennen, die Umrisse der großen Basilika, jener Kultstätte aus der frühchristlichen Periode, diverse Stadttore aus hellenistischer Zeit oder dann wiederbelegt im Mittelalter, und ganz oben die restaurierte venezianische Burg aus dem 14. Jhd. Wir kommen aus dem Staunen wirklich kaum heraus, und Christian hat alle Hände voll zu tun. Nicht nur seine Kamera läuft heiß, auch Elise möchte geflogen werden, so herrlich offenbart sich die Szenerie aus der Vogelperspektive. Ja, wir verbringen eine sehr inspirierende Zeit auf historischem Boden.

 

So war unser Start hier in Albanien also ein wirklich gelungener Einstieg. Wir ersparen uns dieses Mal die weiteren Küstenabschnitte der albanischen Riviera, da der grenzenlose Bauboom die ansonsten atemberaubend schöne Küste einfach nur verschandelt. Doch die Albaner spekulieren gar nicht mit mitteleuropäischen Badegästen, jene bevorzugen ohnedies lieber den italienischen Teutonengrill. Im Hochsommer bevölkern Kosovo-Albaner, Polen, Tschechen und auch Russen die Strände hier. Vielleicht so wie früher die Deutschen am Lido di Jesolo und an der Costa Brava – eben Ballermann auf Albanisch. Wir machen uns lieber weiter auf ins Landesinnere ….

 

Auf den Straßen des Landes dominiert eine Sache ganz klar: egal, ob es ein gut asphaltierter Abschnitt ist oder eine Holter-die-Polter-Piste. Was hier immer fährt, ist DER MERCEDES! Albanien hat die weltweit größte Dichte dieser Nobelkarossen. Und derer findet man von uralt und schrottreif, bis nagelneu und aufpoliert. Angeblich gibt es in Albanien keinen TÜV und so lassen sich leicht bei uns nicht mehr zugelassene Karossen importieren und wieder fahrtüchtig machen. Ja, und als Statussymbol lieben sie ihn natürlich auch ganz besonders. Und dazwischen begegnen wir dem Esel mit zwei vollgefüllten Packtaschen und dem Treiber oben drauf. Früher war Albanien ein militanter kommunistischer Staat, in dem alle Religionen außer die Huldigung des Parteichefs Enver Hodscha verboten waren. Heute boomt der Kapitalismus, überall entstehen neue Hochhäuser, nicht gerade charmant, aber es scheint ihnen nichts auszumachen. Wohl in kaum einem anderen Land in Europa prallen die Unterschiede zwischen Arm und Reich so drastisch aufeinander – rasanter Fortschritt und eklatante Rückständigkeit liegen extrem nahe beisammen. Das sind die ersten Eindrücke von Albanien – nicht ganz neu für uns, da wir ja schon mal hier waren. Dieser Teil des  Balkan hat was wirklich Besonderes, so nahe an zu Hause und doch so unglaublich fremd. Wir gehen weiter auf Entdeckungsreise und machen uns auf ins Bergland dieses spannenden Landes.