Tbilisi
Stadt an der Kura
In Georgien treffen alle drei Weltreligionen Judentum, Islam und Christentum aufeinander. In der Altstadt von Tbilisi präsentieren diese religiöse Vielfalt Synagoge, Moschee und christlicher Kirchen, die nahe beieinander stehen. Die wichtigste Rolle in der Geschichte Georgiens spielt jedoch das Christentum. Die vielen Kathedralen und christlich-orthodoxen Kirchen der Altstadt haben den Fremdherrschaften standgehalten und Jhd. überdauert. Mit der Gestalt der Hl. Nino verbreitet sich das Christentrum rasch und wurde bereits im frühen 4.Jhd. zur Staatsreligion. Der Hl. Nino gelang die Heilung der georgischen Königin und somit die Bekehrung König Mirians I. zum Christentum. Soviel zur Geschichte. Eine dieser wunderschönen Kathedralen live zu besuchen, gibt aber noch viel mehr her. Georgien, so scheint mir, ist ein Land der vielleicht besten Ikonen-Schreiber – unzählige wunderbar erhaltene oder restaurierte Exemplare zieren die Gotteshäuser. Nicht die meist fast naive Heiligendarstellung selbst ist im orthodoxen Christentum von Bedeutung, sondern man verehrt die dahinter liegende Botschaft einer Ikone. Nicht selten gibt es auch noch leise Gesänge, deren Ursprung wir gar nicht ausmachen können. Doch irgendwo aus einem Seitenschiff oder unsichtbar von einem Balkon aus erfüllen die sakralen Töne magisch die alten Gemäuer.
Unser Standplatz direkt hinter der Armenischen Sambeba Kathedrale ist ein herrlicher Ausgangspunkt, um die Stadt zu besichtigen. Und außerdem dürfen wir allabendlich dieses beispiellos herrliche Gebäude in voller Beleuchtung bewundern. Die vielen kleinen Hügel, auf denen Tiflis erbaut ist, verleihen der Stadt einen zusätzlichen Reiz. Über viele Stufen geht es dann nach unten in Richtung Kura, jenes Flusses, der Tiflis durchzieht. Mal wählen wir die moderne Freedom-Bridge, mit ihrem futuristischen Bogendesign aus Stahl und Glas, dann wieder nehmen wir den Fußgängerpfad direkt unter der Autobrücke, der mit coolen und kuriosen Graffitis zu einem echten Kunstwerk gestaltet wurde. Herrlich thront die Nariquala-Festung auf einem der Hügel und gibt ihre Blicke über die Stadt preis. Das alte maurische Bäderviertel erzählt seine Geschichten und die vielen noch gut erhaltenen oder hübsch restaurierten Jugendstilhäuser die ihren. Dann wieder gibt es Straßenzüge, die der Stadt einen fast morbiden Charme verpassen, und das Auge huscht von der bröckelnden Fassade entlang der Graffitis am maroden Zählerkasten nach oben zur Wäscheleine und verfängt sich fast darin. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Das kopfsteingepflasterte Old Tbilisi hält auch noch viele alte Gässchen bereit, die mit schmucken Cafes zu einem äußerst reizvollen Potpourri verwandelt wurden.
Ein Ausflug zum lokalen Markt offenbart die landwirtschaftliche Vielfalt Georgiens und auch das Chaos, das ein Teil dieses Land ist – für uns ein buntes Spektakel, für jene, die täglich damit zu tun haben, vielleicht mehr stressig als bunt. Um dieses tägliche Chaos auch ein wenig aufzusaugen, zwängeln wir uns mit dem Motorrad wieder mal durch den Verkehr, um im Norden der Stadt am Berg Keeni das monumentale Denkmal „Chronik von Georgien“ zu besichtigen. Dieses „Stonehenge“ ist wesentlich jünger, als jenes in Großbritannien. Es ist das Werk des bekanntesten georgischen Künstlers Zereteli aus den 1980ern. Damals war Georgien noch unter sowjetischer Herrschaft, also unter einem Regime, das der Kirche nicht wirklich zugeneigt war. Dennoch stellt das Monument das Leben Jesus Christi dar und die vielen Säulen sind ein Spiegel der Traditionen des georgischen Volkes. Ein beeindruckendes Bauwerk an einem ganz speziellen Ort. Und überhaupt wird uns dieser Ort lange in Erinnerung bleiben, da wir beinahe unsere Elise verloren hätten!!! Christian fliegt schon eine Zeit lang mit der Drohne über das Bauwerk. Dann, gegen Ende der Akkuzeit fliegt er nochmal mitten rein zwischen diese riesigen Stelen. Ich schaue es mir einige Minuten an, höre bereits das Pipsen vom „coming-home-modus“ und bevor ich noch Zeit finde, mich darüber zu wundern, warum Elise nun rücklinks auf eine der Säulen zusteuert, macht es nur noch „brrrrr“, einer der Propeller touchiert die Säule und Elise macht quasi einen Hupfer auf das Sims darunter in so ca. 8 Meter Höhe!!! Es braucht ein bisschen, bis sich Christian von dem Schock erholt, er weiß zuerst auch gar nicht, was jetzt die Ursache dessen ist??? Erst nach Beendigung der Schockphase, nach einer weiteren Nachdenkphase wird es klar: Das gesamte Bauwerk ist mit Kupfer und Metallplatten gestaltet, die den Kompass unserer Elise außer Gefecht gesetzt haben. Da konnte Christian machen, was er wollte, das Signal wurde immer anders interpretiert!! Letztlich rückte Security aus, eine elendslange Leiter wurde aufgefahren und ein schwindelfreier Arbeiter brachte Elise – tatsächlich schadlos – wieder zu uns zurück! Was für ein Glück!
Ich habe den Eindruck, der touristische Aspekt hat erst feine Linien durch Tbilisi gezogen, nicht aufdringlich also, die Schönheiten der Vergangenheit und die Errungenschaften der Moderne bilden eine noch wunderbare Symbiose. Wir können uns gar nicht satt sehen, verlängern unseren Aufenthalt Tag um Tag, und immer wieder zieht es uns von unserem Standplatz hoch oben am Hügel noch ein weiteres Mal hinunter in die reizvollen Gassen der Stadt!