Batumi

 

Las Vegas des Ostens

Wir verlassen die wunderbare Bergregion Georgiens, kommen tiefer und tiefer und es wird in gleichem Maße heißer und schwüler. Nicht wirklich angenehm, plötzlich beginnt alles zu kleben. So bleibt es auch bei einem kurzen Stopp am Enguri-Stausee – sogar mit Besichtigung der technischen Anlage. Einst sowjetische Ingenieurskunst mit einfachem, aber robustem Schwermaschinenbau, wirkt die Anlage heute heruntergekommen und verwahrlost. Der Damm sollte 40 % des georgischen Energiebedarfs decken, die Staumauer hält jedoch keinen Vollaufstau mehr aus und auch von den Turbinen sind nicht mehr alle in Betrieb. Die europäische Bank für Wiederaufbau sponsert zwar kräftig ( ja, ja , wir Europäer sind immer und überall die Guten !!! ) , leider versickert das Geld wie das Wasser im Nirgendwo  ( na , irgendwer wirds schon auffangen ) Wir suchen jedenfalls bald das Weite, brauchen unbedingt ein „Badewasser“ für den Rest des Tages. Ein Flusslauf etwas weiter südlich bietet sich geradezu an und rasch sind wir fündig. Ein idealer Standplatz für eine Nacht, eine weitgehend ebene Wiese, nur ein paar georgische Badegäste während des Tages, die perfekte Abkühlung auch für uns und ganz viel Ruhe während der Nacht.

Die Fahrt weiter Richtung Küste führt durch viele Dörfer, alle sehr ähnlich strukturiert. Die Häuser meistens zweistöckig mit einer Veranda im 1.Stock und einer Treppe nach unten in den Garten, die Fassaden fast ausnahmslos unverputzt. Man erkennt, dass hier das Geld fehlt, Vieles ist unvollendet oder sogar verwahrlost. Doch die durchaus liebevoll gestalteten Gärten, in denen Blumen und sogar Palmen wachsen, machen Vieles wieder wett und verleihen der Gegend durchaus Charme.

Je weiter wir in Richtung Schwarzmeer kommen, desto tropischer wird die Vegetation. Das liegt an dem vielen Regen. Die warme Luft vom Meer staut sich an den Hängen des Kaukasus und regnet davor, eben hier, ab. So kommt es nicht von irgendwo, dass wir uns langsam der Teeregion nähern. Unser Standplatz an der Schwarzmeerküste ist letztlich besser als erwartet. Ein kleiner Wiesenstreifen, dann grober Kies und rein ins Meer. Nicht azurblau, auch kein schimmerndes Grün, einfach dunkles Graublau - so ist es hier „by the black sea“. Aber warm ist das Wasser, richtig bacherlwarm. Also nichts wir rein und einfach mal zwei Tage Urlauben und Nichtstun. Mit dabei auch Piere und Bernadette, die sich ja bereits wieder langsam auf ihrem Heimweg befinden. Es kommen noch einige georgische Tagesgäste, mit und ohne Camper, und wie immer hier in Georgien, friedliche Hunde, die uns zu ihrer Familie erklären und uns fortan bewachen. Uns kann also nichts mehr passieren J.

Wenn man, so wie wir, den indischen Ozean als das Meer seiner Träume erachtet, dann reicht es aber auch nach zwei Tagen. Wir fahren also zielgerichtet weiter nach Batumi. Die Hafenstadt am Schwarzen Meer ist Hauptstadt der georgischen Repuplik Adscharien. Wie anders ist doch hier plötzlich alles im Vergleich zu den Bergregionen. Die Annäherung an die Stadt zeigt Appartementblöcke so hässlich, dass es schon fast weh tut. Und statt den Blick aufs Meer zu haben, bieten die meisten Wohnungen nur einen in den nächsten Block. Aber das ist ja eine ganz andere Geschichte, die uns nicht wirklich betrifft. Unser Stellplatz, ein bezahlter Parkplatz direkt an der Promenade, gibt einen optimalen Ausgangspunkt für Erkundungen. Wir schlendern durch die Straßen der Altstadt, vorbei an wirklich wunderschönen Jugendstilfassaden und Art-deco-Häusern. Wirklich besonders ist auch der lokale Markt – v.a. mit seinen in bunten Fruchtsirup eingelassene Nuss-Würsten. Die Stadt bietet einen fast skurrilen Mix aus Sowjetnostalgie aus dem Zarenreich, grauenvollen, meist heruntergekommenen Plattenbauten und moderner Architektur. Also, da kann sich wirklich jeder was rausnehmen, oder? Den breiten und elendslangen Boulevard entlang der Küste ziert ein rotes Betonband, auf dem gelaufen, geradelt und mit E-Rollern gefahren wird. Wir spazieren vorbei an unzähligen Buden mit Obst, Getränken, buntem Billigschmuck und Hüten, trinken Cafe in einer coolen Bar, und können uns kaum entscheiden, ob wir ein Foto am beleuchteten Herz der Instagram-Patrioten oder an den übergroßen Schuhen machen sollen. Ein echtes Sammelsurium irgendwo  zwischen Ostblocktourismus und Moderne, das sich hier einem bietet. Etwas weiter in der Innenstadt reihen sich dann Spielcasinos aneinander, davor dicke, fette Boliden, meist mit russischem Kennzeichen. Doch auch die georgische Bourgeoisie liebt es, hier Tage oder Nächte zu verbringen. Wir genießen lieber einen Abendspaziergang an der Promenade und die Lightshow an den Water-Fountains. Nichts Großartiges – aber alles ganz nett. Besonders dann aber doch die Statuen Ali und Nino – nur ein flüchtiger Kuss für wenige Sekunden, dann entfernen sich die beiden wieder von einander. Eine Skulptur, die Vergänglichkeit symbolisiert und ursprünglich für die Biennale von Venedig erschaffen wurde.

 

Die Stadt ist nicht der Ort meiner Träume. Aber, wenn man sich mal an die Schwüle hier gewöhnt hat, kann man ihr durchaus auch was Reizvolles abgewinnen. Batumi, bekannt als das Las Vegas des Ostens, hat meine Fantasie schon vorab tanzen lassen und ich hab`s mir ehrlich gesagt ziemlich grauenhaft vorgestellt. Doch jetzt nach zwei Tagen muss ich sagen – „Nein“, es ist durchaus OK, einen Stopp hier einzulegen. Wenn Bulgarien am Schwarzen Meer nur noch Ballermann mit Saufgelagen kennt, so ist es hier fast charmant. Und so konnten wir diesen kurzen Städtetrip durchaus genießen!