Am Fuße des Kasbek

Alvani – Stepanzminder (160 km)

 

Hinauf ins 1700 m hohe Stapanzminda führt die historische Heeresstraße, die Georgien mit Russland verbindet. Heute die internationale Fernstraße S3 – und auch wir bekommen Fernfahrerfeeling. Eine Blechlawine wälzt sich wie ein nicht enden wollender Wurm hinauf und hinunter, wenn man den falschen Zeitpunkt dafür wählt – so wie wir beim Runterfahren. Unzählige LKWs quälen sich um die engen Haarnadelkurven hinauf und haben dabei das Nachsehen, wenn die Bergabfahrenden eben dort in der Kurve nicht genügend Platz lassen. Dann staut es sich unweigerlich ganz plötzlich in beide Richtungen. Nichts geht dann mehr. Und es ist lediglich dem Können der wahren Trucker geschuldet, dass sich der Knoten dann doch wieder irgendwie auflöst….. bis man bei der nächsten Baustelle dann abermals steht.

Auf halber Strecke, in Gudauri, hören die Raftingstationen entlang des Terek-Flusses langsam auf und die Schilifte beginnen. So wie viele Schiorte ist auch Gudauri im Sommer kein Augenschmaus, nur dass dieser Ort noch hässlicher ist als andere. Viele alte Hotels wirken verkommen, neue sind noch nicht fertiggestellt, und die riesigen Containerbauten mit chinesischer Aufschrift am Straßenrand machen das Bild auch nicht charmanter. Interessant finde ich die große Anzahl indischer Restaurants und auch jener, die Halal-Food anpreisen. Man ist hier sichtlich auf alle Touristengenres eingestellt. Im Winter ist der Ort bekannt für Heliskiing, im Sommer fürs Wandern und Reiten. Gleich danach passiert man das georgisch-russische Freundschaftdenkmal, nur dass zwischen den beiden Staaten seit 2008, als Putin einmarschierte, keine Freundschaft mehr besteht. Und so zieht dieses farbenfrohe Denkmal zwar viele Touristen an, aber nur zum Zwecke eines raschen Fotostopps – man sitzt am Pferd, prescht mit dem Quad über die Wiesen oder posiert einfach nur vor den bunten Kacheln des riesigen Betonklotzes.

Irgendwann erreicht man gemeinsam mit der Blechlawine den Kreuzpass auf 2.398 m.  Oder event. auch vorbei an derselben, weil die armen LKW-Fahrer wegen Blockabfertigung km-lang am Straßenrand in der Hitze ausharren müssen. Erst kurz vor Stepanzminda taucht dann majestätisch der höchste Berg Georgiens, der 5047 m hohe Kasbek, das erste Mal mit seinen schneebedeckten Flanken auf. Wir parken unseren LKW an einem schönen Platz ganz in der Nähe einer natürlichen Mineralwasserquelle, die auch ein großes künstliches Badebecken speist. Ein durchaus touristischer Ort, aber etwas abseits auch ein richtig schönes Platzerl für uns. Die folgenden Touren machen wir wieder mit dem Motorrad.

 

Wir fahren hinauf zur Gergetier Dreifaltigkeitskirche, ein gut erhaltener georgisch-orthodoxer Kirchenkomplex, in noch dazu absolut spektakulärer Lage. Mit uns ist auch eine Gruppe Tschechen in ihren Trachten da oben, also quasi ein Nachbarschaftstreffen auf fremdem Boden. Sehr bunt, sehr nett. Irgendwann stimmen die Männer dann in sonorem Bass ein trauriges Lied an und „erwischen“ mich damit voll. Ich sitze wieder einmal auf einer Wiese, vor mir diese bunte Truppe, dahinter die mächtige Bergkulisse, und es treibt mir Tränen in die Augen. Rasch setze ich meine Sonnenbrille auf und ich weiß gar nicht recht, was mich so berührt. Vielleicht das auch dem Älterwerden geschuldet, dass ich immer näher am Wasser gebaut bin. Aber ja, wenn es dann schon mal so ist, dann werde ich mir wie von alleine all der traurigen Aspekte meines derzeitigen Lebens gewahr. Aber alles darf sein, all das gehört dazu – auch die Emotionen – das nennt man schlicht das Leben. Das Ende des Liedes wird fröhlicher und ganz zum Schluss jauchzen die Damen sogar noch. Ende gut, alles gut  - wirklich schön war`s da oben am Berg bei der Kirche!

Unser nächster Ausflug führt uns tags darauf ins Truso-Tal, das im Westen an Südossetien grenzt. Völkerrechtlich gehört diese Region zu Georgien. Dank russischer Truppen entzieht sie sich allerdings der Kontrolle der georgischen Zentralregierung. Die wenigen Dörfer im Tal sind extrem dünn besiedelt. Bei der Volkszählung 2002 gab es hier gerade noch 47 Einwohner. Anfangs erscheint das Tal noch recht unspektakulär, dieser Eindruck ändert sich jedoch bald. Der staubig holprige Weg steigt mehr und mehr an und unser Blick auf den Fluss senkt sich immer tiefer in die Schlucht hinunter. Die Hänge rechts und links sind steil. Ein reißender Bach, sehr sedimentreich, daher auch graubraun, begleitet uns. Wasser kommt nun auch aus den steil abfallenden Wänden einfach heraus, Quellen, die sich aus dem Berg ergießen. Am gegenüber liegenden Hang weiden Kühe – jene, mit den verschieden langen Beinen, entweder rechts länger oder eben links. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie bei dieser Steigung nicht runterpurzeln.

Irgendwann rumpeln wir wieder auf Flussniveau, und hin und wieder begegnet uns ein Pickup oder Kleinbus, der Touristen hinein oder aus dem Tal heraus bringt. Die Farbe des Wassers hat sich plötzlich verändert. Kupfer, Schwefel und Eisen geben dem Wasser seine Schattierungen. Wir passieren Travertinfelder in rostbraun, rot und gelb. Ein beeindruckender Farbmix, der sich vor allem von oben noch viel spektakulärer darstellt. Das gleißende Licht der Sonne, das uns schon den ganzen Tag über begleitet, verpflichtet einen fast zu dunklen Sonnenbrillen, um die Augen zu schonen. Es ist abschnittweise immer wieder extrem trocken und heiße Winde panieren uns und das Moped mit einer dicken Staubschicht. Eine beeindruckende aber auch recht harte Landschaft, die sich uns hier bietet.

Ganz am Ende des Tals, an den Ruinen der Zakagori Festung, erreichen wir den letzten Grenzposten zu Südossetien. Wir hätten ihn mit unserem Permit passieren dürfen, wären aber wohl nicht weit gekommen. Der Grenzer signalisierte uns, dass der Bach gleich nach der Biegung Wasser bis „auf Höhe unserer Brustwarzen“ führe. Na dann halt nicht – er hat uns überzeugt.

 

Somit holpern wir wieder über Schlaglöcher, grobes Geröll und ziemlich viel Staub zurück zu unserem dagegen fast lieblichen Standplatz, genießen ein kühles Bad in unserem Mineralbecken und dann ein kühles Bier aus dem Kühlschrank. Mittlerweile sind Niko und Daniela auf ihrem 2-Wochen-Georgien-Trip mit ihrem Landrover zu uns gestoßen und wir genehmigen uns noch ein zweites kühles Getränk J.