Styros - Weltreisen ©

Wir verlassen die Welt der Trolle und Feenkamine und fahren Richtung Kayseri. Ich mag diesen Wechsel von Natur wieder in urbane Gegend, v.a. wenn sie trotzdem noch so traditionell und landestypisch ist. Kayseri ist eine sehr konservative Stadt, kaum wo stehen Anstand und Frömmigkeit so hoch im Kurs wie hier. So lese ich es, doch fühlt man als Tourist nichts von alledem – ganz im Gegenteil, wir werden wieder allerorts offen empfangen. Es ist eine Millionenstadt, die Annäherung demnach nicht besonders charmant. Doch im Zentrum lässt es sich gut parken, auch mit Styros und auch das Übernachten dort ist kein Problem. Die Altstadt hält einige bauliche Relikte aus der Zeit der Seldschuken für uns bereit und so flanieren wir durch die Gassen. Das Bazarviertel ist bunt, die Menschen aufgeschlossen und freundlich wie immer. Landesweite Berühmtheit haben hier Sucuk, eine Knoblauchwurst und Pastrami, ein würziges, paprikafarbenes Dörrfleisch. Schon von Weitem sieht man in den Geschäften die Köstlichkeiten baumeln und natürlich müssen sie gekostet werden. Am besten, man hält gleich eine große Wasserflasche bereit, um den Salzgehalt im Körper zeitnah zu neutralisieren! Gut ist es, aber wie gesagt, wenn man mehr davon isst, hätte ich Sorge, ebenfalls auszudörren - wie die Würste J. Mit Bier das ganze zu verdünnen? Eine kühne Idee. Aber hier nicht so leicht zu bekommen – zu konservativ, dieses Kayseri. Aber Christian entdeckt noch etwas viel Anziehenderes, nämlich einen wirklich schönen historischen Hamam und macht sich für den Nachmittag gleich einen Termin dort aus. Er kommt strahlend zurück und erzählt mir von der perfekten Schrubber- und Schwitzerei, eingewickelt in immer wieder frische Tücher, versorgt mit Tee, Türkischem Kaffee, frischem Orangensaft, kommt er völlig entspannt zurück. Und nicht nur er ist von Kopf bis Fuß geschrubbt worden, sondern am Ende auch noch seine Schuhe!!! Wir haben beide noch nie so glänzende Crocs gesehen JJ!!  Für mich, natürlich getrennt von den Männlein, hätte es das auch gegeben, aber im Moment war mir einfach noch nicht nach Schwitzen und Fremdschrubben. Vielleicht passt es zu einem späteren Zeitpunkt nochmal.

Nach diesem kurzen aber intensiven Stadtvergnügen fahren wir noch das kurze Stück nach Süden – ein bisschen aus Sentimentalität, wie Christian meint. Vor 40 Jahren nämlich war er hier – am Ercies Dagi. Mit seinem Vater hat er damals den 3917 m hohen Vulkankegel, zu dessen Füßen Kayseri liegt, bestiegen. Er könne sich noch an die grandiose Schattenpyramide erinnern, die der Berg bei Sonnenaufgang in die Tiefebene von Kayseri geworfen hat. Natürlich hat sich viel verändert. Mittlerweile ist hier ein Schigebiet mit Hotels entstanden und eine vierspurigen Autostraße führt herauf. Das Wetter gönnt uns nur ganz kurze wolkenlose Fenster und der Regen verscheucht uns immer wieder ins Haus. Überhaupt haben wir festgestellt, dass wir noch auf keiner Reise so viele Stunden im LKW verbracht haben, weil es draußen einfach zu kalt, zu windig oder regnerisch ist. Nur gut, dass wir unser Haus auch wirklich lieben! Ein paar schöne Blicke auf den Ercies Dagi sind uns aber trotzdem vergönnt und eine nette einheimische Familie lädt uns in einer Regenpause zu Burger mit Sucuk-Wurst ein - Wasserflasche hab ich schon bereit gestellt!! Es vergeht kein Tag, an dem uns die türkische Gastfreundschaft nicht wieder aufs Neue begeistert.

Von hier geht es zunächst 200 km über die kahle anatolische Hochebene – wie immer auf bestens ausgebauter Straße, aber wieder mal bei Gewitterstimmung und Regen. Das Licht ist diffus, fast gelblich – es liegt Sand, ja einfach Dreck in der Luft – eigentlich nur scheußlich. Aber ja, da lässt sich nichts dagegen machen. Da ziehen sich die Kilometer auch gerne mal in die Länge und lassen sich nur mit guter Musik ein wenig versüßen. Leider ist auch die schöne Karavanserei in Karatay geschlossen, weil in Privateigentum, wie ich (zu spät) im Internet lese, und so bleibt uns nur der Blick durch Elises Augen. Schnell ist die Drohne ausgepackt und liefert zumindest ein paar Fotos aus der Vogelperspektive.

Wir erreichen unseren nächsten Standplatz im Sugul Vadisi, einem lieblichen Tal mit Wasserfällen und üppiger Vegetation. Ähnlich sieht es auch in der nächsten Schlucht bei Darende aus, üppige Wasserläufe, kleine Bars, die meist noch geschlossen sind, viele lauschige Sitzplätze. Natürlich ist uns so etwas nicht fremd, Manches davon gibt es auch bei uns zu Hause. War es den Besuch wert? Immer wieder schleichen sich ähnliche Gedanken ein - was ist denn so Besonderes daran? Eine einfache Antwort gibt es darauf auch nicht. Wenn man schon sooo Vieles auf dieser Welt entdecken durfte, so Vieles gesehen hat, dann ist es manchmal nicht so einfach, wieder „Neues“, Besonderes zu entdecken. Es ist dann einfach Reisealltag, ein Leben im Unterwegssein, manchmal besonders und manchmal auch belanglos. Daran ist nichts verkehrt, nichts schlecht – es ist einfach so.