Unter dem Mangrovenbaum

 

Ich sitze unter einem Mangrovenbaum und lasse die letzten 11 Tage Revue passieren. Türkisblaues Meer umspült vor mir eine im Sonnenlicht gleißende weiße Sandbank. Weiter in der Ferne am Horizont wechselt die Farbe in tiefes Dunkelblau. Ein bemerkenswert friedlicher Zustand. Nur die Geräusche des Dschungels hinter mir durchbrechen die Stille. Man könnte es paradiesisch nennen – eben unser momentanes Paradies. Aber was ist überhaupt ein Paradies?

 

Vielleicht ein Gefühl der Bedürfnislosigkeit. Wenn man nichts wünscht, nichts begehrt, weil alles da ist, was man zum Zeitpunkt gerade braucht. So zu empfinden hat schon auch ein paar Tage gebraucht. Wenn man aus der materiellen Fülle Mitteleuropas angereist kommt, gelingt das auch uns nicht gleich im ersten Moment. Es braucht also eine gewisse Eingewöhnungsphase, bis man diese Einfachheit als wahres Geschenk empfinden kann. Dann aber, tut es nur noch gut, labt die Seele. Ich knabbere gerade an den harten Teilen einer Kokosnuss, die ich so sehr liebe und es gelingt mir richtig gut mit allen Sinnen in diese Gelassenheit einzutauchen.

 

Die Malediver sind nicht arm, aber sie haben auch nicht wirklich viel. Die Wirtschaftssituation hier spiegelt die weltweite Tendenz wieder. Reiche Investoren, allen voran die Chinesen, übernehmen alle großen Bauvorhaben oder Entwicklungen, und „nehmen“ sich im Gegenzug Land, sprich Inseln. Es passiert eben leider auch hier ein gewisser Ausverkauf und so gehören viele Inseln bereits den Chinesen, weil den Malediven das Geld fehlt, die Investitionen zurück zu bezahlen. Und eben auch genau deshalb ist es ein Segen für den Staat, wenn die knapp 200 bewohnten Inseln auch noch den Maledivern selbst bleiben und sie dort ihr ganz persönliches Business machen können.

 

Wir wussten definitiv vorab nicht, worauf wir uns da einlassen. Eine Einheimischeninsel, wenig Komfort und auch keine Möglichkeiten, das Fehlende zuzukaufen. Aber bereits nach kürzester Zeit wussten wir, dass wir genau die richtige Entscheidung getroffen haben. Bob hat uns unglaublich herzlich aufgenommen und uns von Beginn an das Gefühl gegeben, sehr willkommen zu sein. Er hat sein ganz privates Paradies für uns geöffnet und uns Platz gegeben, so gut ihm das möglich war. Und zu beobachten, mit welchem Stolz und mit welcher Freude er all das selbst erlebt, hat auch uns das Herz aufgehen lassen. Ich habe wirklich etwas über Stolz von ihm gelernt. Die Beschaffung von fast allem ist wirklich nicht einfach, in einem Land, dass zu 99 % aus Wasser besteht und kaum eigene Produktionsstätten hat. So ist also wirklich sehr Vieles in Bobs kleinem Reich improvisiert- alles ist aus lokalen Materialien gebaut, aus dem Dschungel, Schwemmmaterial aus dem Meer - vielleicht sogar von der Müllhalde  – aber eben sehr sehr liebevoll. Er hat sich mit sehr wenigen Ressourcen seinen Magic Paradise Garden geschaffen. Und man konnte fühlen, dass er sich jeden Tag über all das, was er geschaffen hat, freut. Da hab ich was von ihm gelernt. Und zudem hat er sich wirklich so sehr bemüht, alles für uns bestmöglichst zu arrangieren und uns eine Freude zu machen. Und wenn ihm das gelungen ist, dann war auch er wieder sichtlich glücklich. Am letzten Abend hat er ein Dinner auf der Sandbank für uns arrangiert. Wieder einfachst, aber unglaublich erfindungsreich und bemüht.

 

Wir haben für uns festgestellt, dass dieser Aufenthalt so durch und durch natürlich und in diesem Sinne ehrlich war. Ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll. Nichts in diesen Tagen war perfekt, aber eben so gut wie möglich, nach bestem Willen und Bemühen und immer gekrönt mit der Freude am Gelungenen. Das war wohl das Schönste, das berührt unweigerlich das Herz.