Malediven
Wie klein doch die Welt in nur so kurzer Zeit wird. Kaum noch im Vorweihnachtstrubel der Grazer Altstadt, den Duft von Glühwein noch fast in der Nase, und scheinbar nur wenige Herzschläge später finden wir uns auf einer winzigen Landmasse im Open Water, auf Fehendhoo wieder. Open Water ist tatsächlich nicht weit her geholt. Die 1196 Inseln der Malediven erstrecken sich auf 871 Kilometer in N-S-Richtung mitten im Indischen Ozean und alle Inseln befinden sich rund 1 Meter über dem Meeresspiegel, also gerade mal etwas mehr als eine Schnorchellänge. Zuerst noch auf Male gelandet, haben wir diesen Moloch, der zu den weltweit am dichtest besiedelten Städten gehört, nach einer Nacht gerne wieder verlassen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase betreffend Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind wir bald angekommen – in Bobs Magic Paradies Garden, einer kleinen Privatunterkunft mit Familienanschluss. 4 x 250 PS eines Speedbootes hämmern uns zuvor noch unbarmherzig über beinahe 2 Stunden entgegen der aufkommenden Brandung in Richtung unseres Zieles. Wir sind also auf keiner Ressortinsel sondern auf einer von Einheimischen bewohnten. Völlig anders als der Rest der Inselbewohner – rund 150 an der Zahl – hat Bob sein kleines Paradies als Garten gestaltet. Auf ca. 200m² hat er ein liebevolles grünes Refugium geschaffen. Auf verschlungenen Wegen, durch grüne Tunnel hindurch, die für uns durchwegs etwas zu niedrig sind, gelangt man auf eine kleine Rasenfläche und zu unserem Wohnhüttchen. Wie gesagt, vielleicht eher für Hobbits gebaut, aber trotzdem ein sehr liebevoller Wohnbungalow mit angeschlossener Außennasszelle. Das Essen ist einfach aber ausreichend und gut. Durch die Abgeschiedenheit dieser Inselkette darf man sich einfach keine zu große Varietät erwarten, zumindest keine für den Normalbürger erschwingliche. Aber es ist alles da, was man so braucht. Und Ordnung halten lernt man auch ganz schnell auf so kleinem Raum. Somit ist immer alles für irgendwas gut! Na ja, das trifft vielleicht dann doch nicht auf Freddi zu – unsere Hausratte, die allabendlich über unsere Strohdach flitzt und sich in der ersten Nacht gleich mal an unserem bis zuletzt gehüteten Apfel von zu Hause gütlich getan hat. Jetzt aber, da wir vorsichtiger sind, bleibt Freddi am Dach.
Ja, ansonsten bietet das Inselleben nicht viel mehr. Zwei Parallelstraßen, eine Volksschule, eine Krankenstation, zwei kleine Läden mit minimalistischer Ausstattung, ein Volleyballplatz, drei Guesthäuser. Der Müll ab der zweiten Reihe hält sich in Grenzen, aber er ist da – leider.
Auf einer der rund 220 bewohnten Einheimischen-Inseln zu wohnen, ist erst seit kurzem möglich, hier gerade mal seit drei Jahren, und das ist schon was Besonderes. Man darf einfach mitten drin sein. Eben mit allem was dazu gehört. Die Privatsphäre ist für beide Teile beschränkt. Bob, seine Frau und seine zwei Söhne haben nun den kleinen Garten nicht mehr für sich alleine und wir begegnen ihnen ebenfalls, sobald wir vor die Tür unseres Hobbit-Hauses treten. Wir leben quasi Malediven-Style, was nun mal definitiv keinem europäischen Standard entspricht. Das wussten wir natürlich auch vorher und haben uns bewusst dafür entschieden.
Wir waren dafür mit Bob auf einer Hochzeitsfeier seines Freundes. Und zweimal nimmt er uns mit seiner Familie mit auf einen Wochenendausflug. Es stehen ja nicht viele Möglichkeiten zur Verfügung, hier im Nowhere. Also wird alles für ein Picknick und einen Badeausflug eingepackt und ein Boot bringt uns ans andere Ende der Insel zu einer traumhaften Sandbank, und das nächste Mal an den Strand der Nachbarinsel. Es gibt nicht die Wahl zwischen wandern, baden, Sommerrodelbahn, Stadtbesichtigung oder Kino. All das gibt es hier nicht. Diese Erkenntnis wirft auch so einige Fragen bei uns auf. Wie lebt es sich auf Dauer mit so geringen neuen Reizen und Einflüssen? Es ist zu einfach jetzt zu sagen, „ach was für ein beschauliches, paradiesisches Leben“, so mutet es vielleicht nur für uns an. Es gibt für die Malediver vordergründig schier nicht wirklich was zu tun. Aus unserer Sicht fehlt ihnen der Tatendrang, der Aktionismus, der Wille was Neues zu entwickeln, etwas zu verändern. Aber vielleicht macht diese Reduktion auf Wesentliches auch träge. Vielleicht würde auch uns der Antrieb verloren gehen. Man hat auf jeden Fall das Empfinden, es ginge nicht wirklich was weiter hier und die Menschen hätten „das Arbeiten auch nicht gerade erfunden“. Was aber auch zur Folge hat, dass viele Jungen, die mal in einem der teuren Ressorts gearbeitet haben und auch ein bisschen zu Geld gekommen sind, einfach nicht mehr zurück auf ihre Heimatinsel wollen. Auch dadurch bleibt frischer Wind oft aus. Hier zu leben würde mir sehr eintönig erscheinen, hier erholsame Tage zu verbringen, ist sehr reizvoll.
Die Bewohner hier sind alle Moslems – und so ruft der Muezzin täglich frühmorgens, mittags und abends zum Gebet. Das ergibt irgendwie eine skurrile Mischung - hier die Moschee und dort – nach 4 Minuten „Fußmarsch“ der Bikinistrand. Der erwartet uns mit herrlichem Blick nach Westen und glasklarem Wasser. Nur dort dürfen wir so ohne weiteres baden – vor allem ich als Frau. An den anderen Strandabschnitten wäre das nur mit langer Hose und T-Shirt erlaubt. Von den Einheimischen sieht man nur ganz selten eine Frau, dann aber voll bekleidet, mit ihren Kindern im Wasser spielen. Ja die Strände und das Wasser sind wirklich vom Feinsten. Nirgends auf der Welt ist der Sand wohl so weiß wie hier und das Wasser so türkisblau. Zwei Ausflüge mit der hiesigen Tauchschule von Mathias zeigen uns die Highlights der Unterwasserwelt. Was soll ich mehr dazu sagen…. Korallengärten zum Verlieben und die wunderbare Welt der Mantas – unvergesslich!