Kumbh Mela Allahabad

 

Kumbh Mela

 

Ein Tropfen für die Unsterblichkeit

 

 

 

Wir stehen am Anfang der Zeit, der Milchozean wird von den Göttern und Dämonen mit einer Schlange gequirlt, um den Nektar der Unsterblichkeit heraus zu filtern. Und wieder einmal entbrennt ein Streit und so fallen vier Tropfen des kostbaren Saftes aus dem Krug, der Kumbh, auf die Erde hernieder. Genau hier entstehen die Städte Allahabad, Haridwar, Uijain, und Nashik. Und jetzt stehen die Gestirne Jupiter, Sonne und Mond präzise zueinander, und es manifestiert sich wieder Unendlichkeit an genau dieser Stelle in Allahabad, wo Ganges und Yamuna ineinander fließen. Indien feiert seine Kumbh Mela. Das motiviert um die 70 Millionen Menschen zu einem Bad in der Unsterblichkeit – zu einer rituellen Waschung an einem besonders heiligen Ort zu einer astronomisch besonders günstigen Zeit, um sich von den Sünden rein zu waschen.

 

Soweit die Geschichte und die Fakten. Was das wirklich bedeutet, ist schwer in Worte zu fassen, wenn man es nicht erlebt hat. Für nur wenige Wochen entsteht eine gigantische Megacity, die mehr Menschen beherbergen muss als Tokio und Shanghai zusammen. Die Menschen wohnen in mehr als 700.000 Zelten. Wer keine Unterkunft ergattern kann, schläft einfach auf dem Boden. Es erübrigt sich über die hygienischen Umstände zu erzählen, die kann man sich ausmalen. Dazwischen dann die Zelte der Sadhus, der heiligen indischen Mönche, allen voran jene der Naga Babas, der Allerheiligsten. Als letztere werden jene bezeichnet, die mit nichts als einem Lendenschurz und mit heiliger Asche bekleidet sind. Zu ihnen zählt auch jener, der seinen Arm seit 25 Jahren nicht mehr aus der nach oben positionierten Stellung genommen hat, und auch jener, der seinen Penis mit einer Reihe von Schlössern versehen hat. Askese einer ganz speziellen Art oder Marketing? Indien wäre nicht Indien, wenn es nicht von allen Spielarten etwas hätte. So gibt es die eindeutig kommerziellen Camps aber auch Ashrams, in denen mittellose Pilger übernachten können und zumindest eine warme Mahlzeit bekommen. Gepredigt werden weise Worte, auf welchem Weg man Gott am besten begegnen kann. Und die Menschen verehren die Sadhus, rufen ihnen zu, lassen sich segnen, zahlen und spenden dafür. Traditionell sind die ersten Waschungen den Naga Babas, den heiligen Mönchen vorbehalten. Und am selben Tag zu baden wie diese gilt um ein Millionenfaches mehr sündenbefreiend. Es ist eine völlig verrückte Welt für uns, ein Schauspiel der Sonderklasse, aber auch gewachsene Tradition und Religion, der gehuldigt wird. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich und trotz des dunstigen Wetters ein Paradies für Fotografen. Aber auch wir müssen auf mindestens 100 Selfies als Motiv herhalten, kommen streckenweise überhaupt nicht weiter, haben aber Spaß dabei. Und all das ist erst der Anfang. Ein Fest der Superlative, das größte Fest weltweit dauert 55 Tage und akkumuliert seine Macht gegen Ende hin.

 

Es ist 03.30 Uhr am 1. Badetag und wir möchten vor Sonnenaufgang am Fluss sein. Schon in der Stadt gibt es kaum Durchkommen mehr, die Massen strömen auf das Areal. Die einzelnen Gruppen halten sich an den Händen, um sich nicht zu verlieren. Und trotzdem. Immer wieder werden Namen von verloren gegangenen Personen per Lautsprecher durchgegeben. Polizei und Militär mit einem Aufgebot von 15.000 Mann versuchen aus Ordnung nicht Chaos entstehen zu lassen. Doch die Grenzen verschwimmen. Kurz vor Sonnenaufgang stürmen die Sadhus, nackt und nur mit Asche beschmiert,  aufs Wasser zu. Sie lassen sich feiern wie Heros und ihre Fans sind ihnen gewiss. 100te Fotografen buhlen gleichzeitig um das beste Motiv. Die Ambitioniertesten stehen bis zum Bauch im eiskalten, wenn auch heiligen, Ganges. Wir wissen nicht genau, wie wir uns fühlen sollen, verschwinden in dieser Masse. Berittene Polizei drängt uns zurück, das heißt wir drängen nicht, schwimmen nur einfach mit in diesem Strom. Es ist friedlich, wir spüren keine Aggression, doch ein gewisses Unbehagen bleibt. Was passiert, wenn der Drang nach Unsterblichkeit zu groß wird? Wenn wieder ein Fehler passiert, so wie einst, als vier Tropfen des kostbaren Nektars verschüttet wurden? Aber ja, dann nimmt die Geschichte eben einen anderen Lauf, völlig unbemerkt vom Schicksal einzelner. Das Ganze ist viel zu groß und Unsterblichkeit wohl unerreichbar. Aber bis jetzt läuft letztlich alles sehr gesittet ab und es ist nicht mehr als ein riesiger Tumult von im Moment erst 1,8 Millionen Menschen (wie wir am nächsten Tag erfahren), in dem wir uns zu behaupten versuchen. Verrückt, skurril und einfach unbeschreiblich. Es ist ein Jahrmarkt mit tiefen religiösen Wurzeln. Und JA, es ist den Menschen wichtig, zumindest einmal in ihrem Leben hier gewesen zu sein!  

 

( Der Ordnung halber merken wir an dass 5 Fotos aus einer anderen Quelle stammen und sie nur eingefügt sind um einen Gesamteindruck dieses Festes wiederzugeben. Es war bei diesen 100.000den Menschen nicht möglich überall gleichzeitig zu sein. )