Aug´in Aug´mit den Waldmenschen
Es war schon ein beträchtlicher Aufwand, hierher zu kommen. Aber letztlich sind wir hier – in West-Sumatra, im Gunung-Leuser-NP. Den Staub Indiens haben wir endgültig hinter uns gelassen und gegen tropische Schwüle in Indonesien getauscht. Und noch etwas, es hat einen ganz speziellen Grund, weshalb der Regenwald seinen Namen trägt – richtig geraten: es schüttet jeden Tag mindestens einmal ganz kräftig.
Unsere Unterkunft ist überaus ansprechend. Vor uns rauscht der Fluss, hinter uns nur Dschungel und unser Zimmer mit seinen großen Glasfenstern und netter Terrasse lässt uns auch immer wieder gut entspannen, was wir gesundheitlich auch irgendwie nötig haben. Als Christian vor 30 Jahren hier war, gab es hier noch eine Rangerstation mit Fütterungsplattform. 1998 hat man jedoch entschieden, diese faszinierenden Tiere wieder auszuwildern, allerdings in einem NP einer anderen Provinz. Einer der Gründe dafür war, dass die Produktion von Palmöl den Lebensraum der Tiere stetig verkleinerte. Außerdem gefährdete der große Andrang der Touristen die Tiere immer mehr. Jetzt gibt es also nur noch geführte Trekks. 2015 wurde der Bestand auf 14.600 Tiere geschätzt. Meine Hoffnung war also groß, ihnen hautnah begegnen zu dürfen.
Der Sumatra-Orang-Utan zählt immer noch zu den bedrohten Arten, wenngleich man den illegalen Handel mit Jungtieren weitgehend verhindern konnte. Hinzu kommt die langsame Reproduktionsrate der Tiere. Ein Weibchen bringt nur alle vier bis acht Jahre ein Junges zur Welt. Die Tiere hier unterscheiden sich von ihren Verwandten in Borneo hauptsächlich durch ihr helleres Fell und ihre etwas zierlichere Gestalt. Aber hallo, sag ich da nur …. Das Fell mag heller sein, aber zierlich sind sie mir nicht erschienen. Somit vorweg – JA, wir haben sie gesehen.
Unser Dschungeltrekk beginnt morgens, ausgerüstet mit genügend Wasser und einer Flasche Insektenspray. Unser Guide führt uns zuerst durch eine Palmölplantage – ganz scheußlich - auf rutschigen Wegen stetig rauf und runter, bis wir in den richtigen Dschungel kommen. Wir schnaufen teilweise ganz schön, zumal wir ohnedies kaum Luft durch unsere verstopften Nasen bekommen. Schweiß rinnt in die Augen und sammelt sich auch sonst überall und man muss ganz schön aufpassen, dass man nicht an irgendeiner Liane als Fußangel scheitert oder sich an einer Liane festhält die aber gar keine Liane ist ……. Aber ich bin so motiviert, dass ich das alles gar nicht so negativ wahrnehme. Auch alle Unkenrufe Christians schon Tage zuvor „wirst sehen, nur anstrengend durch den Gatsch hirschen und sehen wirst nix“ habe ich tunlichst ignoriert. Und nach zwei Stunden ….. recht weit oben in den Bäumen sehen wir ein braunrotes Fellknäuel im grünen Blätterdach. „She has her baby with her“, höre ich. Und es dauert gar nicht lange, da schwingt sich dieser riesige Waldmensch immer weiter runter. Schnabuliert dazwischen immer wieder genüsslich ein paar Früchte vom Baum, lässt ihr Kleines auch immer wieder von der Leine, schnappt es sich aber, wenn es mit der nächsten Liane weiter geht. Sie schaukelt sich von einem Baum zum nächsten und alles sieht so spielerisch und kinderleicht aus. Es dauert auch nicht lange, und die beiden sind ganz unten, ca. ½ Meter von uns entfernt. Ja sie dreht sich quasi wie zum Fotoshooting in alle Richtungen, verweilt lange genug, um sie genau beobachten zu können. Man hat fast den Eindruck, wir würden sie nicht besonders stören. Klettert immer wieder rauf, kommt aber danach viermal wieder ganz runter. Es kamen auch noch andere Touristen hinzu. Wir haben aber Gott sei Dank noch Nebensaison, also ging es grad noch so. Als dann alle Touristen wieder weiter zogen, sagten wir unserem Guide, wir möchten sie noch ein kleines Stück verfolgen. Und es gelang ihm sogar, sie nochmal runter zu locken – also noch ein letztes facewatching, wir bedanken uns mit einem riesigen Grinsen im Gesicht und ziehen dann ebenfalls weiter. Eine ganz wunderbare Erfahrung, diesem schönen Tier in freier Natur so nahe gewesen sein zu dürfen.
Zurück im Guesthouse, da war ich eh schon ganz selig, noch eine echte Überraschung! Da turnt plötzlich ein kleiner frecher Orang Utan durch unsere Anlage. Ich trau meinen Augen nicht, sehe ihn im Blätterdach, er kommt runter, kreuzt meine Füße ungefähr zehn Zentimeter vor mir, dreht sich flockig um und trottet zurück in den Dschungel. Wie ein letztes Tschüss und lebe wohl J.