Der Südosten -zwischen Klosteranlagen und Hot springs
Es geht weiter in den Süden Armeniens, in die Provinz Vajots`Dzor. Die Straße über den Sulema–Pass ist zwar quasi ausgebaut, hat aber unglaublich viele Löcher und Bodenwellen, was für Styros und uns eine echte Herausforderung ist – v.a. für unser Nervenkostüm. Es gelingt kaum mal für eine längere Strecke ein wenig zu beschleunigen, weil es einen dann verbindlich unverhofft über einen Buckel schleudert. Also ständiges Beschleunigen, Bremsen ist angesagt. Nervig! Irgendwo in der Mitte treffen wir in der Ausweiche einer Serpentine wieder Doro und Eberhard auf einen Kaffee . Die beiden Karawansereien auf der Strecke sind uns allen irgendwie entgangen, also wird es ein Stehcafe on the road – auch sehr nett!!
Unsere Affinität zu Stellplätzen am Wasser ist sicher jedem Leser schon aufgefallen und so suchen wir uns wieder so ein Platzerl – diesmal am Kechut-See bei Dschermuk auf über 2000 Meter Höhe. Dschermuk ist ein berühmter Kurort, so schreibt es der Reiseführer und liegt auf einem Plateau über dem Ufer des Arpha. Das heilende Mineralwasser, das für die Behandlung von Magen-Darmerkrankungen sowie für Nervenkrankheiten geeignet ist – also quasi für eh alles (!) – zieht über die Sommermonate, in denen es hier oben angenehm kühl ist, viele Touristen an. Jetzt sehen wir keine. Eigentlich wirkt der Ort auf uns wenig ansprechend. Altkommunistische Hotelanlagen, teilweise aufgelassen, ein paar Parkanlangen, ja das schon, aber von Charme ist für mich hier nichts zu erkennen. Und wenn ich dann lese, dass oftmals das Äußere ansprechender ist, als das Innere, na dann zieht es mich nicht wirklich zu einer Behandlung in die Therme. Wenngleich, das muss gesagt sein, dieses Heilwasser zu den bedeutendsten Exportgütern Armeniens gehört. Aber spätestens an dieser Stelle muss man festhalten, dass die schlechte wirtschaftliche Situation dem Land nicht viele Möglichkeiten offen lässt. Und das sieht man wirklich überall.
Unter der hohen Brücke, die ins Ortsinnere führt, befindet sich ein recht dekorativer Wasserfall, mit einem kleinen Restaurant. Vielleicht im Sommer frequentiert – das wünsche ich zumindest dem Betreiber wie auch dem Verkäufer am kleinen Souvenierstand. Den Ausflug hierher haben wir mit Thomas gemacht, der mit seinem etwas kleineren Fahrzeug einfach wendiger ist. Dafür lassen wir ihn abends beim Spielen gewinnen ….. Nachdem es hier oben, sobald die Sonne verschwunden ist, schon recht kühl wird, verbringen wir die Abendstunden in unseren Häusern– mal hier, mal dort. Und bei einem wirklich lustigen, für uns neuen Spiel wird dann ein Fläschchen geleert. Nette Stunden an einem sonst eher mäßig interessanten Ort.
Mit dem Motorrad erkunden wir die wirklich tiefe Schlucht, die der Arpha ins Gelände geschnitten hat und spulen doch einige Kilometer dabei ab. Anfangs noch entlang der malerischen Felsformationen, wird die Landschaft aber rasch wieder extrem karg und trocken. Auf einer Hochebene, durch die Dörfer Goghtanik und Hermon, drehen wir dann aber wieder um. Ich komme nicht umhin, die Gegend als irgendwie deprimierend zu beschreiben. In den Dörfern und auch entlang der Strecke ist sooo Vieles kaputt und desolat. Und doch, es wohnen Menschen hier, bestellen ihre Felder und arbeiten … ich weiß gar nicht, was eigentlich. Alles sehr ärmlich und sogar die Natur geizt mit ihren Farben, finden wir, Grau- und Brauntöne ohne große Akzente – zumindest zu dieser Jahreszeit. Wir müssen gestehen, der Funke ist hier in Armenien noch nicht übergesprungen, aber wir geben noch nicht auf. Wir fahren zu den bekannten Hot Springs von Dschermuk, die so belebend beschrieben werden. Der Weg dorthin ist sogar mit dem Motorrad abenteuerlich und wir gehen den letzten Kilometer zu Fuß. Das Ergebnis am Ende der Strecke ist ein kleiner, vielleicht vier Meter im Durchmesser großer Pool mit lauwarmem Wasser, in dem als heilende Zugabe kleine Algenflanschgerln schwimmen. Da sag ich dann doch lieber Nein Danke, das war wohl nix.
Wir fahren also weiter nach SO Richtung Sisian, wieder über einen Pass, den Vorotan Pass auf 2344 Meter, und das Bild der Landschaft verändert sich kaum. Die Trockenheit und Höhe lässt kein Farbenspiel zu, v.a. da auch das Wetter nur mäßig schön ist. Wir sind genau auf jener Strecke unterwegs, die auch die Flüchtlinge aus Berg Karabach auf ihrer Flucht aus Aserbaidschan nehmen. Auch das ist ein über die Maßen trauriges Bild und wir können uns gar nicht vorstellen, wo all diese Menschen in diesem ohnedies schon armen Land jetzt unterkommen sollen. Viele offene Fragen.
Unser Ziel für heute sind wieder mal Hot Springs nahe dem Kloster Vorotnavank. Der Platz passt gut für uns und wir treffen wieder Jonas und Ann-Katrin sowie Benjamin und Julia mit ihrem Reiselaster, die wir bereits in der Türkei getroffen haben. Ein paar Plauderstunden am Lagerfeuer und dazwischen ein heißes Bad . Das Kloster liegt zwar in Gehweite, aber wir machen es uns leicht und fahren per Anhalter, da die Straße gerade neu gemacht wird und man in einer endlosen Staubwolke dorthin wandern müsste. Und wir hanem immer Glück, dürfen in einem der kleinen, innen völlig „ausgebandelten“ Ladas, meine Füße hinten am Kartoffelsack, mitfahren. Die Armenier begegnen uns zwar zurückhaltend, aber doch freundlich. Allerdings fehlt uns leider gegenseitig die Kenntnis für die Sprache des anderen, da geht natürlich Vieles verloren. Die Schlucht des Vorotan wird nach Osten hin immer enger und irgendwo dort thront dann auf einem steil abfallenden Plateau Vorotnavankh. Das düstere Licht und der Nieselregen tauchen die Hauptkirche des Hl. Stephan in eine ehrwürdige Stimmung. Rund herum noch profane Bauten als Reste einer Festung, die die Bedeutung der ganzen Anlage betonen.
Ein vielleicht letztes bedeutsames Kloster nehmen wir noch mit auf unserem Weg nach Osten – die Anlage Tathev, die ein ganzes Jahrtausend hindurch das aktivste Kloster Armeniens war, zumal sich hier auch eine Universität und das spirituelle wie politische Zentrum befunden haben. Das größte und älteste Gebäude der Anlage ist die Peter- und Paulkirche, erbaut um ca. 900, deren Fresken im Inneren wirklich überzeugen. Wieder vergönnt uns das Wetter keinen Sonnenschein aber die spektakuläre Lage verdeutlicht die Bedeutung der Klosteranlage. Aber dennoch, die Spiritualiät, wie ich sie von indischen oder burmesischen Tempelanlagen kenne, verströmen all diese Kirchen für mich nicht. Unser Motoradausflug in die Umgebung zeigt auch wieder eine ähnliches, schon bekanntes Bild – viele zerstörte Gebäude, wenig Farben in der Natur und die sichtbare Armut der Bevölkerung. Der kurze Stop an der Devils Bridge wäre einen eigenen Ausflug bestimmt nicht wert gewesen, aber sie liegt halt am Weg. Ich kann mich dieses Gefühls einfach nicht erwehren, dass Armenien auf mich irgendwie frustrierend wirkt….